direkt vom turm gebloggt

Schlagwort: Totentanz

Das Signal. In Zeiten von Frieden und Gefahr.

Oft werde ich nach dem Signal gefragt, was ich der langen Tradition der Türmer vor mir folgend vom Turm der St. Lambertikirche zu Münster mit dem langen Kupferhorn von mir gebe. In einem früheren Artikel habe ich es „die hohe Kunst des Tutens“ genannt, an dieser Stelle möchte ich es noch einmal genauer beleuchten.

Übrigens: Auch in der letzten Nacht des Jahres wird traditionell getutet, auch um Mitternacht, wenn die meisten anderen Menschen mit der Böllerei beschäftigt sind.
Silvester auf dem Turm sieht so aus: Die engsten Freund*innen und liebsten Verwandten sind zu Gast – ausnahmsweise an diesem Ausnahmetag! – und schauen mir beim Tuten zu. Nach dem Mitternachts-Tuten singen alle Auld lang syne, auch bekannt als „Nehmt Abschied, Brüder“, das im Gedenken an die Verstorbenen und allgemein als Abschiedslied gesungen wird. Die globale Pfadfinderbewegung singt es auch am Ende von Veranstaltungen.

Im Jahr 2019 fällt der Silvesterabend auf einen Dienstag – und der Dienstag ist der einzige freie Tag der Türmerin… keine Turmparty also! Aber euch wünsche ich schon mal einen GUTEN RUTSCH! 🙂

Weiterlesen

Legenden, Mythen, Tuten

Es hat etwas sehr Meditatives: Das allabendliche Treppensteigen, nicht ein, nicht zwei – sondern dreihundert Stufen sind es bis zur Türmerstube, und jede einzelne wird gezählt. Immer wieder. Das ist so ungemein beruhigend. Aktiv gelebte achtschätzende Wertsamkeit. Andere lernen so etwas in teuren Kursen – bei uns Türmer*innen gehört es zum Beruf! Weiterlesen

Türmergarn und Sky Run

In Münster kennen wir z.B. Goethes Totentanz und die Legende des reichen Bürgers als Grund für ein Tut-Verbot Richtung Osten. Wieviel Wahres oder Zusammengereimtes jeweils in den Erzählungen steckt, ist nicht vordergründig wichtig, geht es doch vor Allem um eine gute Story, die von Türmer zu Türmer zu Türmerin weitergegeben werden kann, nicht zuletzt auch als Stoff für Interviews.

In Rouen, Nordfrankreich, kennt man auch solche Stories – z.B. die Legende des Tour de Beurre (Butterturm). Eine der (gefühlten tausend oder mehr) Geschichten, die sich darum ranken und die ich selbst von meinem Großvater gehört habe, möchte ich hier vorstellen:

Der Rat der Stadt berief einen jungen Baumeister, einen prächtigen Turm für die Kathedrale zu bauen. Dieser hatte Sorge, er schaffe es nicht alleine und paktierte daher mit dem Teufel. Der Teufel wollte als Dank für seine Hilfe (natürlich) die Seele des Baumeisters. Der Turm wurde in einem Jahr fertig und der junge Baumeister wurde gefeiert.

Ihm war aber nicht nach Feiern zumute, ständig dachte er darüber nach, aus dem teuflischen Vertrag herauszukommen. Er bot dem Teufel an, dass dieser seine Seele sofort haben könnte und nicht erst viele Jahre auf seinen Tod warten warten müsste. Alles was der Teufel dafür tun müsste:

Sky Run!

Innerhalb des Geläuts der zwölften Stunde von unten nach oben zur Türmerstube rennen, vor dem letzten Glockenschlag oben angekommen sein. Dann gehörte die Seele ihm – anderenfalls sollte der junge Mann aus dem Vertrag entlassen werden.

Gesagt, getan, ein Teufel, ein Wort. Er rannte „wie der Teufel“ los, rutschte allerdings im oberen Drittel auf den butterbeschmierten Stufen aus und schaffte es nicht rechtzeitig… und verschwand in einer Schwefelwolke. Der listige Baumeister und seine Seele waren gerettet!

Der historische wahre Kern der Geschichte ist aber wahrscheinlich:

Die Bauarbeiter wurden beim Bau des Turmes der Kathedrale von Rouen mit den Geldern aus dem Verkauf der alljährlichen Butterspende der Bürger bezahlt. Butter wurde in den Haushalten selbst hergestellt und während der Fastenzeit vor Ostern den Kirchenvertretern gespendet, welche sie verkauften, um den Turmbau bezahlen zu können.

Aber Sky Run des Teufels und mit Butter beschmierte Turmtreppe klingt ungleich cooler als Erklärung, warum der Tour de Beurre als „Butterturm“ in die Geschichte eingegangen ist. Was den Seemännern ihr Seemannsgarn ist eben den Türmern ihr Türmergarn 🙂

Totentanz

In Münster wird seit 1383 (und wahrscheinlich auch schon früher) vom St. Lamberti-Kirchturm aus gewacht, ob räuberische Banden die Stadt überfallen oder ein Feuer ausbricht. Der Türmer – seit 2014 die Türmerin – hält Ausschau und bläst ein Entwarnungs- oder Warnsignal (je nachdem…), und zwar nach Süden, nach Westen, nach Norden. Niemals aber nach Osten. Warum?

Weiterlesen