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Das Signal. In Zeiten von Frieden und Gefahr.

Oft werde ich nach dem Signal gefragt, was ich der langen Tradition der Türmer vor mir folgend vom Turm der St. Lambertikirche zu Münster mit dem langen Kupferhorn von mir gebe. In einem früheren Artikel habe ich es „die hohe Kunst des Tutens“ genannt, an dieser Stelle möchte ich es noch einmal genauer beleuchten.

Übrigens: Auch in der letzten Nacht des Jahres wird traditionell getutet, auch um Mitternacht, wenn die meisten anderen Menschen mit der Böllerei beschäftigt sind.
Silvester auf dem Turm sieht so aus: Die engsten Freund*innen und liebsten Verwandten sind zu Gast – ausnahmsweise an diesem Ausnahmetag! – und schauen mir beim Tuten zu. Nach dem Mitternachts-Tuten singen alle Auld lang syne, auch bekannt als „Nehmt Abschied, Brüder“, das im Gedenken an die Verstorbenen und allgemein als Abschiedslied gesungen wird. Die globale Pfadfinderbewegung singt es auch am Ende von Veranstaltungen.

Im Jahr 2019 fällt der Silvesterabend auf einen Dienstag – und der Dienstag ist der einzige freie Tag der Türmerin… keine Turmparty also! Aber euch wünsche ich schon mal einen GUTEN RUTSCH! 🙂

Das Friedens-Signal

In Friedenszeiten werden lange Töne gespielt, die an ein Nebelhorn erinnern. Um 21 Uhr erklingt das erste Signal, dann jede halbe Stunde wieder , bis um Mitternacht das letzte Tuten zu hören ist.

Was sind Friedenszeiten? –
Kein Feuer und kein Feind zu sehen!


Foto: Michael Kestin

Das Alarm-Signal

Sobald irgendwo Brände oder Feinde erspäht werden, klingt das Türmerhorn völlig anders durch die Nacht.

Hierbei sind die Töne extrem kurz und aggressiv anzuspielen, einer verzerrten elektrischen Gitarre ähnelnd, in betontem Staccato. Auf dass ein jeder innerhalb der Stadtmauern (heute: Promenadengrüngürtel) höre: Akute Gefahr droht!


Was dem Alarm-Signal seit 1905 vorausgeht, ist ein Telefonanruf bei der Einsatzleitung der Berufsfeuerwehr, welche die Rettung der Stadt Münster koordiniert und organisiert.
Warum 1905? Seitdem gibt es einen Telefonapparat in der Türmerstube, und es gibt eine Berufsfeuerwehr!

Ich gebe, wie meine Vorgänger, die Meldung durch, welche Gefahr ich wo konkret sehe, bekomme eine Rückmeldung, ob diese bereits von Anderen gemeldet worden ist oder ob ich die erste Anruferin zur Situation bin. Während die Situation noch akut ist, wird anschließend nach Süden, Westen, Norden das beschriebene Signal getutet. Sobald die Gefahr gebannt und unter Kontrolle ist, erklingt wieder zur halben und vollen Stunde das Friedens-Signal!

Der Zuständigkeitsbereich der Türmer auf St. Lamberti: Die Stadt Münster, zu Alerdincks Zeiten begrenzt durch die Stadtmauer samt Gräben – heute die Innenstadt Münsters, begrenzt durch die Promenade, den Fahrradhighway!

Rituale

Jedes Signal – gleich, ob Frieden oder Alarm – ist zugleich auch ein Zeit-Signal. Die Anzahl der Töne des Tutens gibt die Uhrzeit an, jedes Signal folgt dem Kirchengeläut nach.

Außerdem geht der Rundgang immer ritualisiert im Uhrzeigersinn. Die Signale ertönen erst nach Süden (Prinzipalmarkt), dann direkt im Anschluss nach Westen (St. Paulusdom), und dann direkt danach nach Norden (Drubbel).
Zwischen 21 Uhr und der mitternächtlichen Geisterstunde ist in diese drei Richtungen zur vollen und zur halben Stunde das Tuten zu hören.

Osten – 3 Legenden

1.

Im Osten liegt das Grab Jesu Christi – in Jerusalem. Von dort kommt er am Ende aller Zeiten. Eine Respekts-Richtung somit. Nach Osten gibt es traditionell kein weltliches Hornsignal der städtischen Türmer auf St. Lamberti. Denn wir befinden uns hier eben auf einem ganz besonderen Turm: Dem Turm der katholischen Stadt- und Marktkirche!

2.

Manchmal hört man Mutmaßungen, im Osten läge ein alter Friedhof, und die Totenruhe solle man ja schließlich nicht stören, weswegen das Türmersignal nicht hierhin getutet würde. Siehe dazu auch Goethe’s Totentanz und andere Totentänze, ein Klick-Tipp: Die Europäische Totentanz-Vereinigung aus Bamberg, eine Gemeinschaft von Forschern, Sammlern und Künstlern, KLICK!

3.

Eine andere Legende ist die des reichen Patriziers, der zu unbestimmter Zeit hier gewohnt haben soll, im östlichen Schatten der Lambertikirche. Er soll früh sein Haupte gebettet haben; und um Ruhe zu haben, soll er dem Türmer einen gewissen Obolus zugesteckt haben, auf dass dieser niemals nach Osten hin tuten möge. Manche behaupten gar, dieser reiche Mann wohne dort immer noch und wolle seine Ruhe haben, weswegen die Türmerin auch in unseren Tagen niemals nach Osten tute… (das ist natürlich Quatsch mit Sauce, wie ich der geneigten Leser*innenschaft versichere! Also der Teil mit „immer noch“, versteht sich).

Zahlen-Symbolik und -Mystik

  • 21 Uhr (sprich: neun Uhr abends) = 3×3 Tuuut
  • 21:30 Uhr = 2x Tuuut
  • 22 Uhr (zehn Uhr abends) = 2×3 + 1×4 Tuuut
  • 22:30 Uhr = 2x Tuuut
  • 23 Uhr (elf Uhr abends) = 3×3 + 1×2 Tuuut
  • 23:30 Uhr = 2x Tuuut
  • 24 Uhr (Mitternacht, Geisterstunde, zwölf Uhr nachts) = 4×3 Tuuut

Die 3er-Gruppe kommt zur jeden vollen Stunde vor. Es handelt sich um das Symbol für die Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit: Vater, Sohn, Heiliger Geist. Diese Zahlenmystik bezieht sich auf den Ort des Tutens, die katholische Stadt – und Marktkirche St. Lamberti! Außerdem sind es drei Richtungen, in die jedes der Signale getutet wird, sie stehen bei mir natürlich auch für Glaube, Liebe, Hoffnung.

Zu jeder halben Stunde gibt es zwei Tuuuts; diese symbolisieren die beiden vergangenen Viertelstunden, die auch das Geläut darstellt, es klingt:
Glocken: Ding Dong!
Horn: Tuuut Tuuut!

Wer es nun tatsächlich noch genauer wissen möchte, schreibe mir eine Nachricht 😉

6 Kommentare

  1. Jochen Lissel

    Liebe Martje, vielen Dank für Deinen Newsletter besonders für den Artikel „Zahlen Symbolik“. Endlich kann ich das Tuten meinen Gästen – wenn gewünscht – genau erklären. Bisher habe ich einfach gesagt: „von 21-00Uhr tutet die Türmerin die Uhrzeit halbstündlich in die Himmelsrichtungen Norden, Süden und Westen.“
    Als mich vor ca. 4Wochen ein Gast fragte, wie das den zur halben Stunde ist, war ich etwas sprachlos und bin irgendwie darüber hinweg gegangen. Jetzt ist alles klar ….. Vielen Dank und alles Gute – vor allen Dingen Gesundheit – für 2020.

    Münstersche Grüße
    Jochen Lissel
    (Gästeführer BVGD)

    • Türmerin

      Ja! Das Schöne am Tuten ist die Verbindung von Uhrzeit, Mathematik, Religion, Mystik, Tradition…
      Viel Spaß weiterhin beim Gästeführen
      wünscht
      die Türmerin von Münster

  2. Annette Willing Montenot

    Vielen Dank für diese sehr interessanten Erklärungen. Bin zwar in Münster geboren, habe jedoch vieles nicht gewusst. Ich bin sehr stolz auf meine schöne Stadt.
    Alles Gute zum neuen Jahr!

    • Türmerin

      Lebenslanges Lernen – Münster ist voll von Geschichte und Geschichten, das finde ich auch nach 5 Jahren noch faszinierend, und es ist bestimmt auch als Paohlbürgerin immer wieder spannend 🙂
      Frohes Neues
      wünscht Ihnen die
      Türmerin von Münster

  3. Horst Hagen

    Hallo Martje,

    Ihnen wünsche ich ein gesundes und gesegnetes Jahr 2020. Auf das Sie nur das Friedenssignal zu „tuten“ brauchen!!
    Ganz herzlichen Dank für die Erklärung der Signale die Sie vom Turm über die Stadt Münster schicken.
    Mit freundlichen Grüßen von der Ostsee

    • Türmerin

      Vielen Dank! Ihnen auch alles Beste für Ihr persönliches 2020 – Friedliche Turmgrüße!

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