Hörner in verschiedenen Zusammenhängen, oder: Ein Horn kommt selten allein
Wenn ich auf dem Turm von St. Lamberti stehe und mein Zeitsignal tute, antwortet mir manches Mal der Kollege Nachtwächter zum Zeichen: Hier unten ist auch alles in Ordnung!
Während das städtische Türmer-Horn aber 1,20m lang ist, sind Nachtwächter-Hörner traditionell kleiner und handlicher, schließlich muss der Kollege noch seine Laterne und seine Hellebarde mit auf die Tour nehmen.
Nun entdeckt man aber, wenn man erst einmal darauf achtet, hier noch ein Horn und dort noch ein Horn, und schließlich sind’s der Hörner mannigfaltige gar. Ich möchte in diesem Blog immer mal wieder einige Hörner vorstellen, die mir im Laufe der Zeit über den Weg liefen.
Den Anfang macht eine Geschichte aus dem großen Wilhelm Busch Album (Wilhelm Busch Album. Humoristischer Hausschatz. Mit 1700 farbigen Bildern koloriert von Josef Jungwirth. Deutsche Buch-Gemeinschaft Berlin-Darmstadt-Wien mit Genehmigung der Friedr. Bassermann’schen Verlagsbuchhandlung München 1924) – und zwar die „Bilder zur Jobsiade“. Inspiriert wurde Busch (1832-1908) dabei von einem „komischen Heldengedicht“ des Carl Arnold Kortum (1745-1824). Es geht darin um das Leben des Hieronymus Jobs – seine Mutter hatte zu seiner Geburt die Vision eines Tute-Horns, eine Wahrsagerin bescheidet dem vermeintlich faulen Kinde ein Zukunft von großem Ruhme, darauf weise eindeutig das Horn hin.
Und genau so ward’s: Der verbummelte Hieronymus hatte allerlei Berufe ausprobiert, nachdem er am Theater war, wurde in seiner Heimat ein Nachtwächter gesucht:
So erwirbt er sich diesen schönen Posten
Und stößt ins Horn auf städtische Kosten.
Das mütterliche Traumgebild
Vom großen Horn ist nun erfüllt. –Hieronymus blus auch wirklich gut:
Leider naht jetzt auch schon das Ende des Hieronymus Jobs, denn er tutet zwar noch bis ein Uhr nachts, aber er wird zusehends schwächer, als der Nordwind ihm schwer zu schaffen macht. Er bekommt noch Medizin, doch der „Knochenmann“ hält am nächsten Tag um die Mittagszeit seine Lebensuhr an.
Aber zumindest hat er am Ende doch noch seinen Traumberuf gefunden und ausgeübt – das wiederum kenne ich nur zu gut! 🙂
Wilhelm Busch hat übrigens einen ganz charmanten Münster-Bezug: Seine entfernte Nichte Margarethe „Grete“ Meyer lebte mit ihrer Familie in Münster, ihr Mann Prof. Andreas Thomsen nahm Onkel Busch mit in den Civil Club, und Busch besuchte die Familie immer mal wieder, außerdem sind viele Briefe erhalten.
An seine „Wahl-Nichte“ Nanda (die Tochter Ferdinanda der Frankfurter Bankiersfamilie Keßler, deren Hauslehrer der jüngere Busch-Bruder Otto war) schrieb Wilhelm Busch:
„Also – nur für einige Tage flog ich aus und besah mit Vergnügen das schöne, alte, sandsteinerne, schwarz ultramontane, westfälische Münster, wo’s ewig bimmelt und läutet, damit man ja keinen Augenblick vergißt, wer daselbst das Wort hat und triumphiert. Am Lambertithurme hängen noch immer grausig mahnend die eisernen Käfige der gemarterten Wiedertäufer.“ (Brief vom 19. September 1899 an Nanda Keßler, in: Sämtliche Briefe. Band 2, Briefe 1893-1908. Hannover 1969)