Im kürzesten Monat des Jahres ziehen diese Werke in die Turmstuben-Bücherei ein:

Eckhard Bernstein: „Hans Sachs. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten“. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1993.

Heinrich Heine: „Memoiren und Geständnisse“. Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf und Zürich 1997.


Hans Sachs, genannt der Meistersinger von Nürnberg. Über ihn wurde so Einiges gesagt und geschrieben… Und anscheinend scheiden sich an dieser historischen Persönlichkeit und ihrem Schaffen die Geister – Johann Wolfgang von Goethe etwa äußerte sich durchaus sehr anerkennend:

„Hans Sachs, der wirklich meisterliche Dichter, lag uns am nächsten; ein wahres Talent (…)“ (Bernstein, S. 144)

Heinrich Heine allerdings schimpfte:

„Hans Sachs, dieser Troubadour der ehrbaren Schusterzunft, dessen Meistergesang nur eine läppische Parodie der früheren Minnelieder und dessen Dramen nur eine tölpelhafte Travestie der alten Mysterien, dieser pedantische Hanswurst, der die freie Naivität des Mittelalters ängstlich nachäfft (…)“ (Bernstein, S. 144f.)

Was ist das nun, ein Meistersinger?

Der Begriff kommt wahrscheinlich Vielen bekannt vor – und zwar durch Richard Wagners gleichnamige Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“, in der diese stadtbürgerlichen Musikkünstler ziemlich romantisch verklärt dargestellt werden.
Eckhard Bernstein erklärt:

„Die Meistersinger waren zumeist Handwerker, die sich in musikalisch-literarischen Vereinen zusammengeschlossen hatten. In ihren Konzerten trugen sie fremde und eigene, nach bestimmten Regeln geschriebene und komponierte Lieder vor.“

Die Epoche, von der wir hier sprechen, ist vor Allem das 16. Jahrhundert, mit einer frühen Phase im 15. Jahrhundert und einer längeren Tradition in einzelnen (süddeutschen) Orten bis ins 19. Jahrhundert.

Wir haben hier direkt die zeitliche Komponente, die mich interessiert: Das Zeitalter der reformatorischen Bewegungen und gesellschaftlich-religiösen Umwälzungen (in Münster sehr speziell geraten: Die „Wieder-„Täufer-Herrschaft, kurz aber folgenreich, fällt in dieses Jahrhundert!).

Ein weiterer interessanter Faktor:
Die Stadtgeschichte. Es gibt hier und da wesentliche Parallelen bei Nürnberg und Münster – z.B. lag auch Nürnberg direkt am Schnittpunkt wichtiger Handelsstraßen und wurde ebenso wie Münster zu einem bedeutsamen Handelszentrum. Dabei spielten in beiden Städten die Kaufleute und Handwerker eine wesentliche Rolle.

Und Künstler beschrieben und beschreiben damals wie heute die Zustände ihrer Gegenwart… 

Das Leben des Hans Sachs zwischen 1494 und 1576 wird in diesem Buch mit allerlei bildlichen Darstellungen anschaulich nachvollzogen. Mal schauen, was für Erkenntnisse und Inspirationen mir bei der genaueren Lektüre noch begegnen…


Heinrich Heines „Memoiren und Geständnisse“ hingegen sind quasi zwei Texte in einem Buch:

Die „Memoiren“ begann Heine in den 1830er Jahren, beendete sie im Jahr 1854, veröffentlicht wurden sie erst nach seinem Tode. Hier geht es um seine Familiengeschichte.

Die „Geständnisse“ schrieb Heine 1853, es geht um seine persönliche Meinung zu Religion, der Welt, den politischen Verhältnissen.

Heine wäre vielleicht heutzutage ein Reiseblogger, denn der Reisebericht gilt seit seiner Zeit als literarische Kunstform.
Sein Leben – jüdische Herkunft, politisches Engagement, vielseitiges Interesse am Weltgeschehen, Reisen … – ist ungewöhnlich und spannend. In meinem Studium ist mir Heine auch als Rezensent von Musikaufführungen und musikalischen Werken begegnet – selbst spielte er wohl kein Instrument, aber als Journalist und Mensch befasste er sich anscheinend gerne mit Musik – und seine Meinung wurde geschätzt. 

Wie solch ein intelligenter und aufmerksamer, eloquenter Mensch des 19. Jahrhunderts seine Zeitgenossen und das Weltgeschehen wahrnimmt und in Worte fasst, ist auch heutzutage von Interesse – in einer gewissen Türmerstube, in einer gewissen Stadt, mit gewissem Hang zur Integration alter Werte in die Moderne… Und: Heine lebte seit 1831 in Paris – der Stadt mit dem Eiffelturm, und dieser steht auf der Liste der „Tour des Tours“ der Türmerin von Münster 🙂