Auch im Oktober habe ich mir wieder ein paar Werke zur näheren Betrachtung vorgenommen, vielleicht kommt der Eine oder die Andere durch die Vorstellung hier auch auf den Geschmack… Thema diesmal: Reiseliteratur von Autoren, die heutzutage wohl Reiseblogger geworden wären! 🙂

Werner Bergengruen: Deutsche Reise: Mit dem Fahrrad 1933 durch das unzerstörte Land. Erstveröffentlichung: Drei Masken Verlag, Berlin 1934. Neue Veröffentlichung: Nymphenburger Verlag, München 2004.


Helmut Domke: Feuer, Erde, Rote Rose. Westfalen und Land an der Ruhr. Prestel Verlag, München 1978 (4), 1. Auflage 1959.


 

Johannes Jörgensen: Reisebilder aus Nord und Süd. Verlag der Alphonsus-Buchhandlung (Ostendorff), Münster 1907.

 


Der Däne Jörgensen (1866-1956) gab übrigens 1893/94 die Wochen-Zeitschrift Taarnet heraus – Der Turm! Hier ging es um neue europäische Strömungen in Kunst und Literatur. Schon früh begann Jörgensen zu reisen und darüber zu schreiben, den Großteil seines Lebens verbrachte er in Italien, vor Allem durch seine Biographie über den Heiligen Franz von Assisi ist er bekannt. Während des II. Weltkrieges war er im Exil in Schweden und kehrte 1945 nach Assisi, Italien zurück.
Auf seiner Reise durch Westfalen kam er auch ins Haus der Seligen Katharina Emmerick, hier ist ein Bericht in des Dülmener Heimatvereins über diese Begegnung verlinkt.
Die Beschreibungen dieses interessanten Mannes, der zum Katholizismus konvertierte, lesen sich sehr locker und sind gleichzeitig eine Weiterbildung in Sachen franziskanische Mentalität.


Helmut Domke (1914-1986) studierte Philosophie, Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte und schrieb Kritiken für den Rheinischen Merkur, die FAZ und den Rundfunk als selbständiger Autor.
Durch den Berliner Blogger Thilo Bock kam ich zu folgenden Erkenntnissen:
In Domkes Reisebeschreibung der Münsterland-Reise findet sich u.a. eine tolle Beschreibung des Windes hierzulande, der interessanterweise keinen eigenen Namen trägt (nicht Föhn, nicht Mistral, nicht Tramotan…):

„Dann ist er [der Wind] der große Zornige, ein diesem Land zugehöriger Atem. Hört doch, wie er im November um die Giebel der Bauernhäuser poltert oder um die Turmkammern der Wasserschlösser. (…) Wie ist man den Naturelementen dann nahe! Nicht den sichtbaren wie Brandung, Lawine oder Feuersbrunst, sondern den anderen, die anonym bleiben – der Wind ist ein gestalt- und gesichtsloser Feind. Ob die Ängste, die hierzulande die Leute bedrängen, aus diesem Grunde so unabwendbar aus dem Unbestimmten kommen? Ob der Wind um dieser Eigenschaft willen namenlos blieb?“ (Domke 1959, S. 309f.)


Werner Bergengruen (1892-1964) wurde in Riga geboren, zog im Laufe seines Lebens nach dem I. Weltkrieg zuerst nach Berlin, dann nach München, wo er zum katholischen Glauben übertrat. In seinem letzten Wohnsitz in Baden-Baden starb der Journalist und freie Schriftsteller.
Seine Reisebeschreibungen, die er als 41jähriger im Sommer 1933 mit dem Fahrrad quer durch Deutschland unternahm, wurden im Folgejahr veröffentlicht. Die Reise ging durch Brandenburg, Niedersachsen, Bremen, NRW, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Bayer, Thüringen, Sachsen-Anhalt und zurück nach Berlin.
Über Münster schreibt Bergengruen:

Wie sich aus der Schwere das Leidenschaftliche, aus der Breite das Hochstrebende, aus der dunklen ruhenden Erde das geistige Feuer emporheben kann, das bezeugt die Stadt Münster. (…) Ich habe manche deutsche Stadt auf den Bleibseln oder Spuren ihrer Wälle umschritten: Lübeck, Amberg, Osnabrück, Nürnberg, Helmstedt, das sächsische Freiberg. In Münster ist dieser Gang eine besondere Freude, und ich weiß nicht mehr, wie oft ich ihn wiederholt habe. (…)  An welcher Stelle ich auch den Wallgang abbreche, um in die Kernstadt zu biegen, fast überall empfängt mich die Fülle des Merkwürdigen und Eindringlichen, des Großartigen oder doch altertümlich Behaglichen. (…)“

Münster… also auch schon „damals“ „hochspannend“… 🙂

In diesem Sinne: Auf nach Münster, werte Leser*innen!