Überblick zum Thema „Die Glocken von St. Lamberti, Münster“:

(1) Lambertusglocke: 1493 – Gerhard van Wou, 2.400kg, c1+7

(2) Marienglocke: 1493 – Gerhard van Wou, 1.000kg, es1+7

(3) kleine Katharinenglocke: 1497 – Gerhard van Wou bzw. oft vermutet: sein Schüler Wolter Westerhues, 450kg, as1+7

(4) große Katharinenglocke: 1619 – Heinrich Caesem, 1.750kg, des+1

(5) Maria Droste zu Vischering (neue Marienglocke): 2008 – Petit&Edelbrock, 1.000kg, f1+7

In diesem nunmehr 6. Teil (von insgesamt 8) geht es um die Glocke zu Ehren des Seligen Niels Stensen und der Heiligen Edith Stein.

Diese Glocke wurde 2008 von der Traditionsglockengießerei Petit&Edelbrock in Gescher (feiert übrigens gerade 325. Jahresjubiläum! und auch bei Facebook zu sehen) als Ergänzung der Klangkrone des Geläutes von St. Lamberti, Münster, angefertigt, bzw zur Vervollständigung und Entlastung der alten Glocken.

Die Fakten:

Niels Stensen & Edith Stein-Glocke, 450kg, Ton: b1+7

Da das übergreifende Thema für die neuen Glocken „Glaubenszeugen unserer Zeit“ lautet, beginne ich mit einer Kurzvorstellung der Glocken-Patronin, der Heiligen Edith Stein.

Edith Stein

Edith Stein als Ordensfrau, Quelle: Joachim Schäfer, Ökumenisches Heiligenlexikon

Edith Stein war eine jüdische Philosophin, sie wurde später zur Karmeliterin. Die Hauskapelle des Franz-Hitze-Hauses, Münster, trägt ihren Namen, ebenso ein Gästehaus für Studierende am Aasee, die Erphokirche in St. Mauritz gehört zum Kirchort Edith Stein, überall in Münster ist sie präsent.

Sie wurde am 12. Oktober 1891 im polnischen Breslau in einer jüdischen Holzhändlerfamilie geboren, studierte dort zunächst Germanistik, Geschichte, Psychologie und Philosphie. Das Philosophiestudium setzte die „Atheistin“, wie sich in ihrer Jugend selbst nannte, in Göttingen fort, wurde u.a. Mitglied im Studentinnenverein, im Preußischen Verein für das Frauenstimmrecht und im Akademischen Humboldtverein. Sie promovierte 1916 und interessierte sich im Laufe ihres Studiums immer mehr für den katholischen Glauben. Die Biografie der heiligen Teresa von Avila inspirierte sie anscheinend dazu, 1922 zu konvertieren. Im folgenden Jahr begann sie, als Lehrerin in einer Dominikanerinnenschule in Speyer zu unterrichten und sich verstärkt für Frauenrechte einzusetzen. Sie zeigte großes Interesse am politischen Geschehen. 1932 war sie dann Dozentin am Lehrstuhl für wissenschaftliche Pädagogik in Münster, verließ das katholische Institut 1933 und trat in Köln dem Karmelitinnenorden bei. Ihr Ordensname lautete Teresia Benedicta a Cruce. Ihr umfangreiches Werk beinhaltet Gebete, Gedichte, Übersetzungen und Interpretationen; das Gedicht „Erhör o Gott mein Flehen“ z.B. steht vertont im Gotteslob (GL Nr. 439). Plötzlich veränderte sich ihr Leben dramatisch: Von der eigenen Priorin wurde sie 1938 an die Nazis verraten (bzw. ihre jüdische Herkunft), sie floh in die Niederlande, wurde dort aufgespürt, verhaftet, nach Auschwitz deportiert, wo sie als Märtyrerin im Alter von 51 Jahren am 9. August 1942 starb.

Die Seligsprechung 1987 und Heiligsprechung 1988 durch den damaligen Papst Johannes Paul II. gilt Vielen auch als Zeichen der Versöhnung der katholischen Kirche mit dem Judentum.

Die sechste Glocke ist neben Edith Stein auch dem Seligen Niels Stensen gewidmet.

Niels Stensen

Der Wissenschaftler und Geistliche Niels Stensen, Quelle: Joachim Schäfer, Ökumenisches Heiligenlexikon

Nach Niels Stensen ist in Münster u.a. eine Straße in der Nähe des Universitätsklinikums benannt, bei der Alten St. Clemenskirche in Hiltrup steht seit 1988 eine an ihn erinnernde Stele, außerdem wurden im Bistum Münster einige Gemeinden 2006 unter seinem Namen neu zusammengeschlossen (Lengerich). Wer ist also dieser vielfach präsente Däne, der auch unter dem Namen Nicolaus Steno(nis) bekannt ist?

Er wurde am 1. Januar 1638 als Sohn eines Goldschmieds in Kopenhagen geboren, begann schon früh, sich für die Anatomie des menschlichen Körpers zu interessieren und studierte zunächst in Kopenhagen, dann in Leiden Medizin. Mit seiner Arbeit über das Herz als Muskel wurde er europaweit bekannt, da sie die damals herrschende Meinung, das Herz sei der Sitz des menschlichen Lebensgeistes, überwand.
Ursprünglich lutherischen Glaubens konvertierte Stensen 1667 mit 29 Jahren zum Katholizismus. Er reiste im Dienste der wissenschaftlichen Forschung quer durch Europa und kam wohl in Florenz und Rom in näheren Kontakt mit dem katholischen Glauben. Neben seinen anatomischen Forschungen widmete er sich auch der Geologie und gilt als Begründer der Paläontologie (der Wissenschaft von der Entstehung der Erde). Als er wieder in seiner Heimat Kopenhagen tätig war, durfte er wegen seiner katholischen Konfession kein öffentliches Amt bekleiden und kehrte deshalb nach Florenz zurück, interessierte sich immer mehr für theologische Aspekte und entschloss sich, Theologie zu studieren – was in die Priesterweihe 1675 mündete. Als „Apostolischer Vikar“ sollte er nach Deutschland reisen, zuerst nach Hannover, und schließlich wurde er 1680 Weihbischof in Münster und Stiftsdechant von St. Ludgeri. Den Großteil seiner Einkünfte spendete er den Armen. Dramatisch wird sein Leben 1683, als er es wagt, öffentliche Kritik am Nachfolger des Fürstbischofs Ferdinand von Fürstenberg, nämlich Maximilian Heinrich von Bayern zu äußern. Dieser war wohl eindeutig durch Bestechungsgelder zum neuen Fürstbischof geworden, und Stensen verließ als Protest Münster, ging nach Hamburg, dann zurück an den Hof der Medici nach Florenz und schließlich nach Schwerin, wo er als einfacher Missionar lebte, sehr asketisch. Stensen litt an einer Gallenkrankheit und starb 1685 wahrscheinlich an Darmlähmung, mit nur 48 Jahren.
Wegen seiner Verdienste für die Medici wurde sein Leichnam nach Florenz überführt und in der Basilika San Lorenzo beigesetzt.

1988 wurde Niels Stensen durch Papst Johannes Paul II. selig gesprochen.

Bei Niels Stensen wird deutlich: Glaube und Naturwissenschaft schließen einander nicht aus!

Das öffentliche Auftreten, ihr sittliches Leben, ein barmherziges und karitatives Handeln, der Umgang mit Wissenschaft und Vernunft eint Edith Stein und Niels Stensen, unter deren Patrozinium die Glocke Nummer 6 des Geläutes von St. Lamberti, Münster, steht.

Links zum Ökumenischen Heiligenlexikon:

Edith Stein

Niels Stensen

Weitere Links (Auswahl):

Edith Stein Gesellschaft Deutschland

Kirchort Edith Stein, Erphokirche, St. Mauritz

Dr. Martin H. Thiele, Franz-Hitze-Haus über Edith Stein

Edith-Stein-Kolleg, Studierendengästehaus

Edith Stein bei kathpedia.de

Niels Stensen bei kathpedia.de

Niels Stensen bei kirchensite.de

Buchtipp über Niels Stensen bei Radio Vatikan