Es begab sich aber zu einer Zeit, da die Türmerin von Münster über Kirchenglocken nachdachte, dass ihr Nachbar, der Bundespolizeipfarrer a.D. , Dr. H.-J. Vogelpohl, von der Pfarrkirche St. Johannis zu Billerbeck berichtete, und dass dort die hohe Kunst des Beierns gepflegt würde.

Bundepolizeipfarrer und Türmerin

Bundespolizeipfarrer aD Dr. Vogelpohl und die Türmerin von Münster

Daraufhin wurde flugs der Kontakt zum Küster Theo Meyer hergestellt, welcher seit 1966 das Läuten der Glocken von Hand und in Nachfolge seines Vaters das ganze komplexe Aufgabengebiet eines Küsters ausführt. Gelernt hat er das Beiern auch von seinem Vater, dem „Beiermann“ Paul Meyer († 2012), zu dessen Gedenken der Arbeitskreis St. Liudger eine DVD herausgegeben hat.

Nordseite St. Johannis, Billerbeck: Kreuzigungsgruppe

Nordseite St. Johannis, Billerbeck: Kreuzigungsgruppe

Küster Meyer empfing uns sehr freundlich und zeigte uns „seine“ Kirche und den Turm – beim Aufgang fielen zunächst die steinernen Stufen auf (genau wie in St. Lamberti, Münster).

Steinstufen

St. Johannis, Billerbeck: Steinerne Stufen im Turm

Die Steinstufen wurden dann abgelöst durch Holzstufen. Recht abenteuerlich, dieser Aufstieg – und das macht Küster Meyer vor jeder Messe!

St. Johannis, Billerbeck: Hölzerne Stufen im Turm

St. Johannis, Billerbeck: Hölzerne Stufen im Turm

 

Zu seinen Aufgaben gehört unter vielen anderen auch das tägliche (!) Aufziehen des Uhrwerks. Die drei großen Steingewichte bewegen sich mit voranschreitender Zeit immer weiter nach unten – und wenn man vergessen würde, die Uhr aufzuziehen, landeten sie schwer irgendwo verhakt im Gebälk…

Uhrwerk

Das Uhrwerk in der Pfarrkirche St. Johannis, Billerbeck

 

 

 
Und natürlich zeigte er uns dann auch das Beiern – hierzu muss man wissen, dass die Johanniskirche drei große Glocken besitzt:

Salvator-Glocke: Tonhöhe C, aus dem Jahre 1522; gegossen von Wolter Westerhues (einem Schüler des großen Gerhard van Wou, der auch die Glocken für St. Lamberti, Münster, gefertigt hatte!);
(Die ursprüngliche Marienglocke, Tonhöhe D, aus dem Jahre 1522 musste im Zweiten Weltkrieg zwecks Einschmelzung abgegeben werden, es gibt aber eine neue)
Marienglocke: Ton D, aus dem Jahre 1946, gefertigt von Petit&Edelbrock zu Gescher (welche auch die neuen Glocken für St. Lamberti, Münster, gegossen haben!);
Johannes Baptist-Glocke: Tonhöhe Es; ebenfalls im Jahre 1522 von Wolter Westerhues gefertigt.

Billerbeck2015_Glocke Maria

Maria

Billerbeck2015_Glocke Johannes Baptist

Johannes Baptist

Billerbeck2015_Glocke Salvator

Salvator

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Diese drei Glocken sind miteinander durch eine Seil- und Kettenkonstruktion verbunden. Beim Läuten von Hand („Taktgeläute“) wird eine 6köpfige Läutegesellschaft benötigt, drei ziehen kräftig, die anderen drei bremsen die Glocken wieder. Hierzu erzählte Küster Meyer, dass einer der Glockenläuter ein großer, starker Mann sei, dessen Gegenüber immer besonders aufpassen müsse beim Bremsen der Glocke, dass diese nicht zuviel Schwung entwickle und sich auf und davon mache.

Es ist aber auch möglich, alle drei Glocken durch eine einzige Person zum Klingen zu bringen, und zwar schwingen dabei die Glocken nicht, sondern ihre Klöppel werden punktgenau und immens rhythmisch gezogen – das ist das sogenannte Beiern. Hierzu nimmt Küster Meyer jeweils einen Strick in eine Hand und steigt mit dem rechten Fuß in einen Steigbügel, der ebenfalls an einem Strick (und damit an einer Glocke) befestigt ist.

Küster Theo Meyer

Küster Theo Meyer beim Beiern in St. Johannis, Billerbeck

Hier eines der zahlreichen Videos aus dem Inneren des Glockenstuhls, so sieht das Beiern aus und so kann es klingen (jeder hat seinen eigenen Rhythmus und eigenen Motive):

Ich bedanke mich sehr herzlich bei Pfarrer Dr. Vogelpohl (www.seelsorge-aktuell.de) für seine Idee und Reise-Begleitung und bei Küster Meyer für seine Zeit, die interessanten Erzählungen und inspirierenden Einblicke in seine Tätigkeiten.

…und vom Turme von St. Johanni aus erblickt man den Bau, der im Münsterland von großer Bedeutung ist: Der Billerbecker Dom oder Ludgerus-Dom. Erbaut an der Stelle des Sterbehauses des allerersten Bischofs von Münster, des Heiligen Liudger, ebenfalls eine sehr interessante Geschichte, die vielleicht einmal hier an anderer Stelle erzählt werden wird.

Ludgerusdom

Ludgerusdom zu Billerbeck