Ein Blick in die Turmstuben-Bücher-Ecke: Mai 2014

Gerhard Nebel: „Liebe auf den ersten Blick“

Dieses Buch fiel mir sofort auf – wegen des Türmers mit Horn auf dem Cover.  Gefunden bei einem Secondhand-Geschäft in der Innenstadt Münsters.
Mit diesem Buch bewaffnet kann man einen schönen Stadtrundgang machen

Gerhard Nebel_Liebe auf den ersten Blick

Gerhard Nebel: „Liebe auf den ersten Blick“

In diesem Buch, das die Drucklegung eines Rundfunkvortrags des Philosophen Gerhard Nebel aus dem Jahr 1964 darstellt, sind einige Holzschnitte (angefertigt von Reinhard Herrmann) von Münster’s Inventarliste zu sehen: Haus Rüschhaus, Amalie von Gallitzin, Fürstenberg, Schlaun, Erbdrostenhof usw… Das obige Bild ist auf dem Einband; unschwer zu erkennen ist es der Türmer mit Horn.

Der Philosoph Nebel beschreibt in schöner, und doch eingängiger Sprache sehr bildhaft, wie sich ihm die Stadt Münster darstellt.

S. 23:
„Die Substanz Münsters bezeugt sich in der Liebe, mit der seine Bewohner an ihm hängen, in dem Takt, mit dem sie die neue Architektur in die alte hineingestellt haben. (…) Wenn mir schon in dieser Verfassung der Restauration Münster als einzigartig schön erschien, eine stürmische Leidenschaft vom ersten bis zum letzten Augenblick – wie herrlich muß die Stadt vor den Luftangriffen gewesen sein.“

Auch der Lamberti-Kirchturm kommt (natürlich!) vor:

S. 29f.:
„Der Turm der Lambertikirche wurde im 19. Jahrhundert nach dem Modell des Freiburger Münsters errichtet. Oben über der Uhr hängen noch die drei Käfige, in denen die Leichen Jan Bockelsons, Knipperdollings und Krechtings ausgestellt waren, mehr als eine Pikanterie, vielmehr ein Memento an die Bürgerschaft, die sich damals leidenschaftlich in die geistigen und leiblichen Ausschweifungen der Schwärmerei gestürzt und einer vielfachen Übermacht einen bewundernswerten Widerstand entgegengesetzt hatte.“

Noch einmal der Turm-Bezug:

S. 39f.:
„Ein Merianblick auf die türmereiche Stadt, vom Buddenturm, der zur Mauerbefestigung des Mittelalters gehörte, über die Überwasserkirche, einem mächtigen gotischen Kirchturm der Haubenlosigkeit, über die Doppeltürme des Domes, über Sankt Lamberti bis zu dem romanisch-gotischen Vierungsturm von Sankt Ludgeri – welches steinerne Gebet, das hier zum Himmel gesendet wurde und weiterhin gesendet wird.“

Quelle: Hans Thiekötter (Hg.): Gerhard Nebel, Liebe auf den ersten Blick, Verlag Aschendorff, Münster 1964 (2. Auflage)

 


Paul Maar: „Türme. Ein Sach- und Erzählbuch von berühmten und unbekannten, bemerkenswerten und merkwürdigen Türmen“

Dieses Buch war ein sehr aufmerksames Geschenk, über das ich immer noch breit grinsend gebeugt bin und in dem ich stöbere – in der Stadtbücherei Münster kann man es auch ansehen und ausleihen!

"Türme" von Paul Maar

Paul Maar: „Türme“

In diesem Buch hat der Sams-Erfinder Paul Maar so viel über Türme aller Art zusammengestellt, wie er finden konnte. Er bereiste dafür zu Recherchezwecken viele ferne Länder und forschte nach Turmgeschichte, machte viele Fotos, durchforstete die Stuttgarter Landesbibliothek und bekam für sein Buch 1988 den Deutschen Jugendliteraturpreis für das beste Jugendsachbuch. Nachdem das Buch jahrelang vergriffen war, wurde es 2005 wiederaufgelegt und bekam ein neues Kapitel über Funktürme dazu.

Paul Maar schreibt am Anfang, dass ihn besonders persönliche Fragestellungen interessierten, unter Anderem, wie der Beruf des Türmers aussah, in welchen Sprichwörtern der Turm genannt wird und so weiter.
Leider fehlt der Turm von St. Lamberti in diesem Werk, sollte es jemals erneut aufgelegt werden, wäre ich bereit, den entsprechenden Artikel dafür in Schönschrift zu verfassen!

Trotzdem ist das Buch „Türme“ ein einziger Schatz an Ideen, Inspirationen, historischem Wissen, einfach sehr vielseitig (im wahrsten Sinne des Wortes: 286 Seiten) und kurzweilig.

Interessant vor Allem die unbekannteren Turmgeschichten, z.B. das vermutlich erste rheinromantische Gedicht der Literaturgeschichte, Goethes „Geistes-Gruß“:

S. 112:
„Hoch auf dem alten Turme steht
des Helden edler Geist,
der, wie das Schiff vorübergeht,
es wohl zu fahren heißt . . .“

Maar erklärt, dass hier der Bergfried der Burg Lahneck gemeint sei, und dass Goethe das Gedicht auf einer Reise in sein Tagebuch notierte. Bestimmt auch heute noch eine Reise wert!

Skurril und tragisch gleichermaßen auch eine Geschichte aus Wien:

S. 71:
„Der Fahnenschwinger auf dem Alten Scheffel.
Zum Einzug des neuen Kaisers Leopold I. in Wien im Jahre 1658 dachten sich die Stadtväter eine besondere Überraschung aus: Sie suchten nach einem Mann, der es wagte, freistehend auf der höchsten Spitze des Stefansturmes eine Fahne zu schwenken. (…) Leider vergaß man ihn bei dem anschließenden festlichen Treiben. Seine Rufe blieben ungehört, und er mußte die ganze Nacht auf der Turmspitze verbringen, bis man sich am nächsten Morgen seiner erinnerte. Es wird berichtet, daß seine Haare über Nacht grau geworden waren. (…)“

Auch wird erklärt, wie der Turm ins Schachspiel kam (S. 61f.) und tausend interessante Dinge mehr…
Quelle: Paul Maar: „TÜRME. Ein Sach- und Erzählbuch von berühmten und unbekannten, bemerkenswerten und merkwürdigen Türmen“. Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 1987 und 2005