30. März 2016: Internationaler „Mache-einen-Spaziergang-im-Park-Tag“. Spazierengehen soll ja gesund sein, und wenn man sich anschaut, wo die Menschen in Münster und im Münsterland spazierengehen, kann man das auch direkt glauben. Unsere Stadt und unser Land haben so vieles zu bieten, was glücklich und gesund macht! 😉
Das Münsterland freut sich über den 2. Platz der beliebtesten Radfahr-Regionen Deutschlands (auf der aktuellen Liste des ADFC www.adfc.de) – das normale, alltägliche Fortbewegungsmittel ist hierzulande ja wirklich das Fahrrad (die „Leeze“), aber am „Mache-einen-Spaziergang-im-Park-Tag“ lässt Otto Normalmünsteraner seine geliebten Drahtesel im Stall stehen und macht sich z.B. hierhin auf:
Dieser Garten mit See und Spazierwegen ist am Rand der Innenstadt, hinter dem Fürstbischöflichen Schloss gelegen, ist seit 1803 eine sehr geschätzte Oase der Ruhe – nicht allein für Wissenschaftler*innen! Es gibt hier 23 Themengärten – darunter einen Tast- und Riechgarten, ein Tropenhaus und eine Orangerie. 6 der insgesamt 10 Gewächshäuser sind öffentlich zugänglich (zu den Öffnungszeiten: 8:00-16:45 Uhr, Freiland: 8:00-19:00 Uhr).
Wer einmal den jungen Frühling und die sich entwickelnde Flora dort gesehen hat, bekommt gute Laune, und nimmt diese dann mit in seinen Alltag oder auf seinen Turm…
Spazierengehen ohne Zeitdruck, nur der Erholung und beobachtenden-gedankenvollen Muße wegen, nennt man auch Flanieren. Ein quasi professioneller Flaneur ist z.B. „Fabian“ von Erich Kästner (Untertitel: „Die Geschichte eines Moralisten“ aus dem Jahr 1930). Der Germanist Dr. Jakob Fabian, Werbetexter einer Zigarettenfirma, entzieht sich dem gesellschaftlichen Wertesystem der Arbeitstätigen und widmet sich ganz der erkenntnisfördernden Kraft des scheinbar ziellosen Schlenderns und Abwartens (bis die Menschen anständiger würden).
Im England des 18./19. Jahrhunderts sah man zuweilen auch in Parks sogenannte Schmuck-Eremiten, die durch den Land-Adel angeworben wurden, z.B. so:
„‘Sieben Jahre in der Eremitage zu bleiben, wo er mit Bibel, einer Brille, einer Fußmatte, einem Strohsack als Kissen, einem Stundenglas als Zeitmesser, Wasser als Getränk und Nahrung aus dem Hause versehen werden sollte. Er mußte ein wollenes Gewand tragen und durfte sich unter gar keinen Umständen die Haare, den Bart und die Nägel schneiden, nicht jenseits der Grenzen (…) herumstreunen oder auch nur ein Wort mit dem Diener wechseln.’Was dem Schrebergartenbesitzer heute sein Gartenzwerg, war dem Landlord damals sein Schmuck-Eremit.“ (Quelle: Manuela Reichart über Dame Edith Sitwell’s „Englische Exzentriker. Eine Galerie höchst merkwürdiger und bemerkenswerter Damen und Herren“ – Original: „The English Eccentrics“ aus dem Jahr 1933 – vom 11. November 1988, ZEIT online)
Ein Schmuck-Eremit diente also auch höchstselbst als Schmuck, er war einfach da, um einen Park mit seiner Anwesenheit und seinem besonderen Äußeren zu schmücken. Diese Art Einsiedler lebte oft im Garten oder Park, sah exzentrisch aus und hatte ansonsten zu schweigen.
Oder wie der unvergleichliche Friedrich Liechtenstein neulich in der Adam Riese Show im Pumpenhaus zu Münster erzählte: „Die Besucher sollten sagen: Ach guck, da, ein Pfau! Ach guck, da, ein Eremit!“ (Friedrich Liechtenstein hat selbst Erfahrungen als Schmuck-Eremit in einem Berliner Brillengeschäft).
Wer nun am „Mache-einen-Spaziergang-im-Park-Tag“ durch die Gärten und Parks flaniert und vielleicht tatsächlich einen durch Zeit und Gesellschaftsordnung unbeeindruckbaren Schmuck-Eremiten erspäht, halte einen Augenblick inne, spüre das kleine Glück, das im jungen Frühling wohnt und nehme es mit in seinen Alltag oder auf seinen Turm.