Eine wirklich kuriose wahre Geschichte las ich kürzlich bei Recherchen zu dem Bildhauer Franz Brabender, die möchte ich mit euch teilen:

Franz Brabender stammt aus der bekannten Bildhauerfamilie der sogenannten Beldensnyder (vermutlich eine Tätigkeitsbeschreibung: Bild-Schneider), der Nachname deutet auf eine ursprüngliche familiäre Herkunft aus Brabant.

Sein Bruder Johann Brabender wurde nach 1536 mit Aufträgen für den Paulusdom in Münster bedacht, nachdem die Täufer extreme Zerstörungen angerichtet hatten – unter anderem Werke, die Johanns und Franzens Vater Heinrich einstmals für den Dom angefertigt hatte. Johanns Sohn Jasper übernahm schließlich die Werkstatt, die sein Großvater gegründet hatte. Da schließen sich münsterische Kreise.

Zurück zu Franz Brabender. Dieser ist uns heute noch ein Begriff, auch weil im Stadtarchiv Münster ein Brief von ihm an den Rat der Stadt (Magistrat) erhalten ist. In diesem Brief mit der Anrede

„Ehrbare, hochgelehrte, wohlweise und ehrsame liebe Herren!…“

geht es um ein Erlebnis, das Franz in der niederländischen Stadt Kampen hatte, und das für ihn äußerst ärgerlich verlief, weswegen er genannte Ratsherren um Hilfe anschrob…

Franz also kauft wieder einmal den wunderschönen Werkstoff Sandstein aus den Baumbergen, westlich von Münster, für seine neuesten Bildhauer-Projekte. Beim Bearbeiten der Steine kommt auf einmal ein deutlicher Fisch-Abdruck zum Vorschein: Ein Fisch-Skelett! Aus Stein! Aus einem Berg, nicht aus dem Meer! Ein WUNDER!

Okay – heute wissen wir: Die Entstehung der Baumberge in der Kreidezeit vor etwa 135 Millionen Jahren haben wir einer Meeresüberflutung des gesamten Münsterlandes und den Eis-Perioden des Pleistozäns zu verdanken. Das Gebiet der Westfälischen Bucht wurde für etwa 70 Millionen Jahre von einem riesigen Kreidemeer bedeckt, große Schlammströme begruben viele Tiere unter sich – die heute Fossilien genannt werden.

Aber um 1550 herum kannten die Menschen diese Zusammenhänge noch nicht. Und deshalb denkt sich der Franz bei seiner Fisch-Entdeckung: Klasse, mit diesem Wunder ziehe ich umher und verdiene mir eine goldene Nase!

Gesagt, getan. Aber vorher lässt er sich die Echtheit seiner Entdeckung noch offiziell vom Gericht bestätigen. Mit diesem Dokument und einem eigens gezimmerten Schrein als Behältnis für den Fisch aus den Baumbergen zieht Franz nach Holland, nach Kampen. Dort lässt er den Wirt seiner Herberge öffentlich verkünden, dass der münsterische Bildhauer hier ein Wunder gegen Eintrittsgeld ausstellen wird.

Illustration von Julia Koch-Suwelack in: Liselotte Folkerts, Münster – Nicht immer war es Liebe auf den ersten Blick, S. 54

Leider nehmen die Kampener dem Franz seinen Fisch nicht ab, sie meinen, er habe das Fischskelett sicherlich selbst künstlich angefertigt und sei ein übler Betrüger. Was für ein Quatsch, ein Fisch aus den Baumbergen! Wie soll der da denn wohl hingekommen sein? Weit und breit kein Meer!
LÜ-GEN-FISCH! LÜ-GEN-FISCH!

Franz, ganz frappiert, hält seine Beglaubigung durch die Richter hoch, mit Brief und Siegel – aber die Holländer glauben ihm kein Stück und jagen ihn schließlich aus der Stadt; und der Fisch bleibt in der Aufregung dort zurück…

Später schreibt Franz dann den oben genannten Brief an den Rat der Stadt Münster, man möge ihm doch bitte helfen, den Fisch wieder zu bekommen, oder zumindest Schadenersatz durchzusetzen!

Die Gräfin Walburg von Bentheim und Steinfurt ist es dann schlussendlich, die erwirkt, dass der Fisch samt Schreinbehälter von den Kampenern herausgerückt wird. Franz Brabender schenkt ihr zum Dank das Fischwunder.

Es wird jahrhundertelang gehegt und gepflegt, bis vor einiger Zeit noch in einer Raritätenkammer aufbewahrt und zu besichtigen – aber leider, leider geht der Fisch aus den Baumbergen in den Wirren des Zweiten Weltkrieges verloren… das hat er mit dem Türmer-Horn gemeinsam, auch das war nach 1945 futsch und musste neu gefertigt werden.

Franzens Fisch ist aber tatsächlich der älteste verzeichnete Fossilienfund der Baumberge, sogar Westfalens, und bleibt unvergessen. Blupp!


Quellen:

Sibylle Backmann: Im Zeitalter des Wunderbaren: Der Bildhauer Franz Brabender und der Fisch im Stein.
In: Westfalen – Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde. Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, des LWL-Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte, des LWL-Amts für Denkmalpflege in Westfalen und des LWL-Museums für Archäologie 85/86, Münster 2007/2008

Liselotte Folkerts: Münster – Nicht immer war es Liebe auf den ersten Blick: Münster und das Münsterland in Stimmen und in Bildern durch Jahrhunderte. Laumann Druck und Verlag 2008 (3. Auflage)