Ein Konzertbericht:

In der Reihe „Dyckburger Konzerte“ gab es am 20. Juli 2014 eines der schönsten Konzerte, die ich jemals besuchen durfte.

„Fine Knacks for Ladies“ – Songs and Solos by John Dowland,

Renata Grunwald – Sopran
Ingo Negwer – Renaissancelaute

Laute und Sopran

Ingo Negwer und Renata Grunwald

Aus drei Gründen hat mich das Konzert im Vorfeld interessiert: Weil ich selbst einmal Renaissancelaute spielen gelernt habe, weil John Dowland für mich der Inbegriff der traurigen englischen Renaissancemusik ist, und nicht zuletzt, weil der Spielort – Dyckburgkirche (Mariä Himmelfahrt) – natürlich auf meiner Liste der zu besichtigenden Kirchen steht.

Dyckburgkirche

Dyckburgkirche, Quelle: dyckburgerkonzerte.blogspot.com

Ich war also sehr gespannt und voller Vorfreude, die durch den schönen Radweg am Dortmund-Ems-Kanal entlang und dann durch den Wald und die Natur der Mauritzheide noch gesteigert wurde. Die Kirche ist klein und malerisch, von innen in weiß gehalten mit Goldverzierungen, die Kuppel beleuchtet mit indirektem blauen Licht, und alle Kirchenbänke füllten sich sehr rasch mit interessiertem Publikum rings um den Altarbereich, wo die Künstler auftreten würden, wie Stühle und Notenpulte verrieten. Von meinem Platz aus erhoffte ich mir einen guten Blick auf die Finger des Lautenisten, was sich bewahrheiten sollte.

Die Sopranistin Renata Grunwald gab anfangs eine erklärende Einführung in den Titel des Konzertes: „Fine Knacks for Ladies“ beschreibt die Anpreisung seiner Waren eines Straßenhändlers, der Modeschmuck an die Dorfschönheiten verkaufen möchte.

Die Lieder und Weisen wurden in Abschnitten dargeboten, auf dem Begleitzettel konnte man sehr gut mitverfolgen, was gerade erklang.

Und es erklang so einiges: Ingo Negwer spielte sein leises Instrument mit dem irreführenden Namen (kleiner Scherz) hervorragend, sicher und ausdrucksstark, die Finger glitten über die vielen Saiten und die außergewöhnliche Akustik des Kirchenraumes brachte die  zarten Klänge wunderschön zum Tragen. Renata Grunwald überraschte mich mit einem glasklaren hohen Sopran, der trotz der schwindelnden Höhe eine sehr angenehme,  warme Klangfarbe besitzt und Dowlands Lieder strahlen und leben ließen.

Auch die Lauten-Solos (z. B. „A Varietie of Lute-Lessons: The most sacred Queene Elizabeth, her Galliard und The Right Honorable the Lady Cliftons Spirit“) überzeugten durch das virtuose und einfach schöne Spiel Negwers. Es war eine Freude ihm zuzusehen, wie seine Zupfhand mit Daumen-Innen-Technik sich bewegte.

Die Ansagen der beiden Musiker waren interessantes Hintergrundwissen – zum Beispiel, dass Dowland sich immer abgemüht habe, Hofmusiker an Queen Elizabeths der Ersten Hof zu werden, was nie gelang – erst nach ihrem Tode – und er ihr natürlich wie damals üblich, ein Tanzstück widmete (die oben erwähnte Galliard), dieses aber kurz und knapp, und das folgende Stück für Lady Clifton hörbar anders wäre, weil der Komponist letzterer viel geneigter gewesen sei. Leider ist die Akustik in der Kirche für Musik zwar hervorragend, für gesprochene Worte aber etwas zu verhallend.

Dann kam auch mein absoluter Favorit: „Lacrimae – Semper Dowland semper dolens (Flow my Tears)“ aus dem Second Booke of Songes or Ayres, 1600.  Und ich bekam trotz der schwülen Hitze eine Gänsehaut…

Nach einigen weiteren Liedern und einem Lautensolo („A Fancy“) gab es dann noch eine ungeplante Unterbrechung: Es war mittlerweile 18 Uhr und die Kirchenglocken läuteten das Stundengeläut. Ausgerechnet an dem Punkt des Programms, wo die Sopranistin a capella beginnen wollte – aber mit Kirchenglocken im Hintergrund kann man sich natürlich nicht auf den richtigen Einsatzton konzentrieren, also wartete man ab. Und Ingo Negwer nutzte die Gelegenheit, noch etwas über das folgende Stück zu berichten: Es handelte sich um eine Broadside Ballad, die Texte wurden damals auch gedruckt und verkauft, und als es dann weiterging ohne Glockengeläutbegleitung, verstand man sofort, warum diese Broadside Ballads so beliebt waren. Denn „Lord Willoughby“ klang wie ein Gassenhauer, wie ein Folksong, der auch gut und gerne in einen Irish Pub gepasst hätte – verblüffend!

Das letzte Stück ließ dann noch mal sehr gefühlig lange Töne im Raume stehen („Tell me, true love, A Pilgrims solace, 1612) und es kam wie es kommen musste: Unter donnerndem Applaus verbeugten sich die beiden Künstler immer wieder, gingen ab, kamen wieder und boten noch eine Galliard in einem der Wärme angemessenen gemäßigten Tempo dar.

Es war ein rundes, ein schönes, ein gefühliges und erhebendes Konzert – der Eintritt ist immer frei(-willig) bei den Dyckburger Konzerten, und man gibt sehr gerne freiwillig, denn so eine tolle Reihe und so ein Engagement muss einfach unterstützt werden.

Auf dem Rückweg in die Innenstadt zum Turm kam ich an einer Gartenfete vorbei, wo lautstark das Kontrastprogramm zum Dowlandkonzert erklang – „Atemlos durch die Nacht…“ – wie schön, dass diese unsere Welt so vielfältig ist! 🙂

Weitere Infos:

Ingo Negwer: http://www.gelsenkirchen-barock.de/negwer.htm

Grunwald/Negwer-Duo: http://ruhrlaute.blogspot.de/2013/09/fine-knacks-for-ladies-duo.html

Dyckburger Konzerte:
dyckburgerkonzerte.blogspot.de
Dyckburgkirche (Mariä Himmelfahrt), Dyckburgstraße 220
Kontakt: Gisela Uhlen-Tuyala, Tel. 0251-861808, E-Mail: uhlen-tuyala@t-online.de