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„Was beschäftigt dich?„
Nun – heute beschäftigt mich aus aktuellem Anlass die Frage, wie wohl Türmer von St. Lamberti in früheren Zeiten das bunte Treiben dort unten in den Straßen und Plätzen der Stadt Münster wahrgenommen haben mögen.
Waren die Türmer, wenn sie nicht Dienst hatten, Teil des Geschehens oder standen sie abseits?
Und wenn sie oben standen, wo jetzt ich stehe, und ihre Mitmenschen bunt kostümiert und feiernd beobachteten, was dachten sie wohl?
Carne vale – lebe wohl, Fleisch! Doch vor dem Fasten kommt das Feiern!
Der ursprüngliche Sinn und Zweck, einmal straf- und folgenlos gegen die Oberen aufzubegehren, legal spotten zu können und mit hintersinnigem Witz auf Missstände aufmerksam zu machen, ist auch heute noch klar erkennbar, wenn von „Ausnahmetagen“ die Rede ist, wenn die Bürgermeister den Schlüssel zum Rathaus „abgeben“ müssen, wenn die Umzugswagen am Rosenmontag aktuelle soziale und politische Situationen aufgreifen usw.
Die Preußen waren es, die den exzessiven ausufernden öffentlichen Gelagen eine gewisse Struktur gaben, indem sie den Rosenmontagsumzug „erfanden“, ein Wagen hübsch hinter dem anderen.
Hinter den Festivitäten und fröhlichen Feiern der jeweiligen Session stecken immer auch unzählige helfende Hände, hinter den Kulissen wird viel ehrenamtlich organisiert, gemacht und getan – jede Karnevalsgesellschaft hat ihre persönliche Tradition und Erfahrungswerte. Es wird geübt: Tanzen, Musizieren, Abläufe…
Matthias Welp fasst zusammen:
„Insgesamt gesehen wirkt der Karneval auf die kollektive Identität der Münsteraner, also innengerichtet.“ (siehe: „Die Westfalen und Karneval“ auf der Homepage des BMK – Bürgerausschuss münsterscher Karneval)
Das Gemeinschaftsgefühl ist wesentlich und sehr positiv.
Negativ beschrieben wird wie bei allen Großveranstaltungen der Alkoholkonsum bzw. seine Nebeneffekte – aber dies ist ja kein Phänomen, was dem Karneval an sich anzulasten wäre.
Was sowohl beim Straßenkarneval als auch bei den Sitzungen deutlich wird: Hier sind wahre Auskenner*innen, Bescheidwisser*innen und Brauchtumspfleger*innen am Werke, mit viel Spaß, teils harter Organisationsarbeit und der Überzeugung, dass auch der angeblich so „sture Westfale“ ein echter Karnevalist sein kann.
Natürlich sieht etwa der Kölner das wahrscheinlich völlig anders – aus der Turm-Perspektive aber sage ich: Jedem Tierchen sein Pläsierchen, bunter Frohsinn hat noch niemandem geschadet, dort so – und hier eben so. Und ist es nicht wahrlich faszinierend, wenn erwachsene Menschen so eine bannige Freude daran haben, sich zu kostümieren, zu singen und bestimmten tradierten Ritualen des Feierns zu folgen?
Ich bleibe mir selbst treu und gehe als: Türmerin! Tagsüber gesellig, abends eremitisch – in diesem Sinne: Ein fröhliches HELAU! vom Turme 😉