Noch mehr interessante Fakten über den Turm, die Ratsglocke und den Türmer…

 

Im Jahr 1779 brannte der Turm von St. Lamberti ab, so berichtet ein Schreiben in den Akten der Pfarre. Am 12. Juli 1780 dann wurde ein Vertrag ausgearbeitet,

nach dem die Stadt für alle Zeiten das Recht das Recht erhielt, auf dem wiederaufgebauten Turm eine Wachstube zu unterhalten und die von 1594 stammende Ratsglocke weiterhin bei Einführung eines neuen Stadtoberhauptes zu schlagen. Das ist auch heute noch Aufgabe der Türmerin (alle 6 Jahre; nächste Gelegenheit: 2015).

Wir erinnern uns: Die Glocke trägt den Namen Rats- und Brandglocke – jedoch verlor sie im Jahr 1902 ihre Funktion als Brandglocke. Bald darauf wurde die Berufsfeuerwehr gegründet.

1879 wurde das Tuten des Kupferhornes verboten „weil der Ton nicht mehr befriedigte“, so die Schrift aus der Pfarrakte. Es wurde eine Stechuhr eingeführt – jedoch vermissten viele Bürger den charakteristischen Ton des Horns. Dann erhielt der Türmer versuchsweise eine Trompete, die jedoch 1890 wieder durch ein Horn ersetzt worden ist. Es geht doch nichts über diesen wohlbekannten Klang! Das Horn von heute ist übrigens nach dem Muster des Instruments aus dem 16. Jahrhundert („Wieder“-Täuferzeit!) angefertigt worden – und zwar 1950, da das Vorgängerhorn in den Wirren des II. Weltkrieges verloren gegangen ist.

 

Einige Strafen und Vergehen der Türmer von St. Lamberti aus den Protokollen des Rates:

1583 hatte der Türmer für eine Stunde die Stadt verlassen, obwohl er Tagwacht gehabt hätte.

1602 gab es eine Beschwerde (von wem? Man weiß es leider nicht) darüber, dass der Türmer mit Frau und Kind auf dem Turme gewesen sei und bei Tage Feuer und Licht gebraucht hätte.

1627 wurden zwei Wächter verwarnt und zu Geldstrafen verurteilt. Sie sollten „in Zukunft ihre Weiber vom Turm (…) lassen, sich des Saufens (…) enthalten und nüchtern ihre Wacht in acht (…) nehmen“.

1719 hatte ein Türmer „fremde Leute auf dem Turm zugelassen“ und exzessiv „gezecht“; ihm wurde der Wegfall seines Lohnes angedroht, wenn er sein Verhalten nicht änderte. Außerdem sei während seiner Dienstzeit viel „Unflat auf das Kirchendach und andere benachbarte Häuser geworfen“ worden. Pfui! 🙂

 

1770 wurde die „Feuer- und Brand-Lösch-Ordnung“ durch Fürstbischof Maximilian Friedrich erlassen. Daraus

§ 26: „Da auf dem Thurn (mittelhochdeutsch für „Turm“, Anm. MS) Lamberti-Pfarrkirchen von dem Magistrate ein Thurnbläser nebst zween Nachtwächtern angenommen, und aus Stadtmitteln salariirt werden: so werden dieselben angewiesen, durch die Fenster des Thurns nicht nur auf die Stadt, und die darinn obhandenen Häuser bey Tag und Nacht eine ohnanbläßig (= “unablässig“, Anm. MS) genaue Aufsicht zu haben; sondern es sollen dieselben benebens auch auf den Umgang des Thurns, wenigstens alle halbe Stunde, so wohl bey Tag als bey Nacht rund herum gehen, und gewöhnlicher Maßen abblasen (…) obsonst nach Befinden des Zuchthauses Strafe.“

§ 27: „Der Thurnbläser soll sich mit beyden Nachtwächtern ohne Vorwissen und Belieben des Magistrats, und noch weniger ohne Substituirung eines anderen (…) Wächters von dem Thurn nicht absentiren.“

Wie gut, dass auch die Türmerin 2014 ff. einen Vertreter hat, ohne den sie sich nicht „absentiren“, also entfernen – z.B. in den Urlaub fahren – dürfte!

Übrigens – der folgende Passus ist auch heutzutage noch gültig:

„Bei Strafe sofortiger Entlassung hat er sich jeder Verunreinigung (…), namentlich des Ausgießens eines Nachtgeschirrs auf dem Umgang oder von diesem herab, zu enthalten.“

 

So hat also alles nun seine Ordnung, auf St. Lamberti wird kein Unfug mehr getrieben, und die Anwohner können beruhigt schlafen, wenn die wachsamen Augen der Türmerin über die Stadt blicken und zum Signal, dass alles friedlich ist, die tiefen Horntöne erklingen.