Ein erneuter Blick in das Turmstuben-Bücherregal – mit Dank an Wilm Weppelmann für den Tip, auch Leuchttürme und ihre Wächter in die Recherche und Lektüre mit einzubeziehen!

Auch ein Leuchtturmwächter hat unter Umständen Zeit, genüsslich und viel zu lesen – so wie bei Tucholsky.
Und auch Musik spielt immer wieder für uns „Turm-Menschen“ eine wichtige Rolle.
Im Fouqué-Gedicht „Am gewaltigen Meer…“ hört man bereits beim reinen Lesen die donnernden Wellenklänge und den Gesang des Turmwächters durch die Nacht schallen… wundervoll!

Kurt Tucholsky: Panter, Tiger und andere – Kapitel 19.
Verlag Volk und Welt, Berlin 1957 (Hrsg. Fritz J. Raddatz)

Die letzte Seite

Mein Beruf – ich bin Zweiter Leuchtturmwächter auf der kleinen Ostseeinsel Achnoe, und die Nächte sind lang, mein Beruf zwingt mich, viel und ausgiebig zu lesen. Um neue Bücher ist mir nicht bange – die bekomme ich von meinem Freund, Herrn Andreas Portrykus, dem Nachtredakteur des »Strahlförder Generalanzeigers« (mit Unfallversicherung). Er schenkt mir alle Rezensionsexemplare, und so lese ich Nacht für Nacht, alles durcheinander: Romane und Reisebeschreibungen und zarte, sinnige Geschichten aus edler Frauenhand, und was man eben so liest.

Und wenn der Wind an die dicken Scheiben stößt, wenn mein Burgunderpunsch auf dem Tisch dampft, der bräunliche Tabak knastert und ich alter Mann wieder einmal froh bin, diesen Posten ergattert zu haben –: dann kommt es wohl vor, daß ich, aus Zerstreutheit und guter Laune die Bücher von hinten zu lesen beginne, so, wie man aus einem Kuchen sich zuerst die Rosinen herausknabbert.

Und da bin ich zu der Entdeckung gekommen, daß die Schlüsse all der vielen Bücher sich deutlich nach verschiedenen Arten gruppieren lassen. Es gibt Normalschlüsse, die immer wiederkehren: der Autor mag vom Mond heruntergefallen sein, am Schlusse besinnt er sich doch auf sein edles Menschentum und redet deutsch.

Heute Nacht habe ich wieder vier Pfund Bücher gelesen, mir ist noch manches im Gedächtnis.

(…)


Friedrich Heinrich Karl, Freiherr de La Motte-Fouqué (1777 – 1843): „Turmwächterlied“

 

Am gewaltigen Meer in der Mitternacht
wo der Wogen Heer an die Felsen kracht,
da schau‘ ich vom Turme hinaus.
Ich erheb‘ einen Sang aus starker Brust
umd mische dem Klang in die wilde Luft,
in die Nacht, in den Sturm, in den Graus!

Dringe durch, dringe durch recht freudenvoll,
mein Lied, von der Burg in das Sturmgeroll,
verkünd‘ es weit in die Nacht,
wo schanket ein Schiff durch die Flut entlang,
wo schwindelt am Riff des Wanderers Gang:
daß oben ein Mensch hier wacht!

Ein kräftiger Mann, recht frisch bereit,
wo er helfen kann, zu wenden das Leid,
mit Rufen, mit Leucht, mit Hand.
Ist zu schwarz die Nacht, zu fern der Ort,
da schickt er mit Macht seine Stimme fort
mit Trost über See und Land.

Wer auf Wogen schwebt, sehr leck sein Kahn,
wer im Walde bebt, wo sich Räuber nahn,
der denke: Gott hilft wohl gleich.
Wen das wilde Meer hinunterschlingt,
wem des Räubers Speer in die Hüften dringt,
der denkt an das Himmelreich!

Fouqués Gedicht „Am gewaltigen Meer in der Mitternacht“ wurde von 15 Komponisten vertont.
Mehr zu Fouqué im Netz u. A. hier (S.11): Baron Friedrich de la Motte Fouqué und seine Beziehung zur Musik. Eine musikalische Reise mit Friedrich de la Motte Fouqué. Von Irene Krieger