Zittau! So fern und doch so nah!
Zittau liegt im süd-östlichsten Zipfel Sachsens –
Polen und Tschechien sind direkte Nachbarn.
So weit weg uns auf den ersten Blick das sächsische Zittau in der Oberlausitz auch erscheinen mag, es gibt tatsächlich einige Gemeinsamkeiten mit unserer westfälischen und speziell münsterländischen Heimat. Den Besuch des neuen Zittauer Türmers nehme ich zum Anlass, ein paar Schlaglichter auf einige interessante Fakten zu werfen:
Zittau – Münster: 511,67 km Entfernung (Luftlinie)
Zittau |
Münster |
ca. 20.000 Einwohner*innen | ca. 300.000 Einwohner*innen |
1238 erstmalig urkundlich erwähnt | 793 Stadtgründung, 805 urkundliche Erwähnung als Bischofssitz (die civitas „Monasterium“/“Monestre“ um 1106) |
neuste Auszeichnungen:
„European Town of Sport 2014“ | „European Heritage Label (Site of the Peace of Westphalia“ (2015) |
damit wird u.a. geworben:
„Stadt der Fastentücher“ | „Fahrradhauptstadt“ |
„Stadt am Dreiländereck“ | „Lebenswerteste Stadt der Welt“ |
„Gartenstadt“ | “Kongressstadt“ |
Aus der Kategorie „Tradition und Glaubenskultur“:
In der Fastenzeit (Aschermittwoch bis Karsamstag) ist es etwa seit dem 11. Jahrhundert n. Chr. in vielen Orten üblich, Altäre, Kreuze, Reliquien etc. zu verhüllen, so die Überlieferung. Dies soll eine Bußübung sein – kurz: Glaubensutensilien werden dem Auge verborgen, und wenn in der Osternacht dann die Verhüllung fällt, steht Christus wieder strahlend sichtbar vor den Gläubigen.
Dieser uralte Brauch ist eine der Traditionen, die Zittau und das Münsterland verbindet:
Einst in Europa weit verbreitet, sind Fastentücher u. a. durch den reformatorischen Bildersturm selten geworden. Erhalten geblieben sind einige dieser Zeugnisse mittelalterlicher Frömmigkeit nur noch in Kärnten, Tirol, im westfälischen Münsterland und Zittau. Zu den bedeutendsten gehören die bemalten Fastentücher von Gurk (1458) und Haimburg (1504) in Kärnten sowie das Große Zittauer Fastentuch (1472) und das Kleine Zittauer Fastentuch (1573). Interessant sind auch die gestickten Fastentücher im Münsterland wie z. B. das von Telgte (1623).
(Quelle: http://www.zittau.de/fastentuecher/was_sind_fastentuecher.htm)
Aus der Kategorie „Bündnisse und Reichtum“:
1346 schließen sich verschiedene Städte zu einem Sechs-Städte-Bund zusammen, um stark zu sein gegen die Willkür der adligen Obrigkeit und zur Bewahrung des Friedens – Zittau wird zur wohlhabendsten Stadt dieses Bündnisses.
Anfang des 14. Jahrhunderts wird Münster als wohlhabende Handelsstadt Mitglied des Kaufmanns- und Städtebundes der Hanse (1305 verbürgt, 1368 urkundlich als „Hansestadt“ bezeichnet).
Die Kirche St. Johannis zu Zittau…
… wurde 1291 erstmals schriftlich erwähnt – im Nordturm (59,5m) befinden sich die 3 Glocken (eine vierte fehlt seit dem II. Weltkrieg); der Südturm (56,7m) schließt oben mit der Türmerwohnung. St. Johannis wurde nach einer gründlichen Post-Wende-Sanierung im April 2015 wieder als Hauptkirche der evangelisch-lutherischen Gemeinde eingeweiht.
Im Siebenjährigen Krieg…
… wurde die Johanniskirche durch Beschuss der österreichischen Truppen zerstört (1757). Das damals schlimmste Bombardement in Münster erfuhr das Martiniviertel durch hannoversche Truppen (1759).
Der Südturm der Johanniskirche…
… neigte sich am Ende des 18. Jahrhunderts deutlich, zahlreiche Gutachten wurden angefertigt zur Statik, das Für und Wider des Erhaltes wurde kontrovers diskutiert – genau wie zur selben Zeit in Münster, als der Lambertiturm sich gefährlich gen Westen neigte (und schließlich abgetragen und durch den jetzigen ersetzt wurde – siehe Bildergeschichte auf den Seiten von Henning Stoffers!).
Der Zittauer Turm wurde stabilisiert, gründlich saniert, der berühmte Baumeister Schinkel und sein Zittauer Schüler Schramm entwarfen die Pläne des Umbaus, oben wurde 1804 die Türmerwohnung angefügt, der Turm blieb damit quasi unvollendet, die beiden völlig unterschiedlichen Türme machen seither das charmante Charakeristikum der Johanniskirche aus.
Die Türmerwohnung…
… auf dem südlichen St. Johanniskirchturm wurde in Eigenregie durch unermüdlichen Einsatz des neuen Türmers Felix M. Weickelt saniert und richtig gemütlich und bewohnbar gemacht. Mit Hilfe von Freunden und engagierten Ehrenamtlichen wurde Baumaterial heraufgeschleppt, Schutt heruntergeschleppt, 266 Stufen, stetig treppauf, treppab (andere gehen dafür ins Fitnessstudio und nennen es „Step Aerobic“).
Über der eigentlichen Türmerstube befindet sich ein niedriger Raum, in dem das Bett seinen Platz gefunden hat.