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Martinstag in Münster

Mein Opa hieß Martin. Opa Martin war Geschichtslehrer und vermochte es, so anschaulich zu erzählen, dass man meinte, er sei bei allen historischen Highlights und Lowlights in persona zugegen gewesen. Nicht alles, was er erzählte, ist wissenschaftlich haltbar, es war auch immer allerlei äußerst unterhaltsames Seemannsgarn dabei, bei vielem bin ich mir bis heute – trotz eigenem Geschichtsstudium – gar nicht sicher, ob es so war, wie er berichtete, oder doch völlig anders, so gut klang es, wenn Opa Martin erzählte.

Heute sitze ich auf dem Turm von St. Lamberti, führe eine jahrhundertealte Tradition fort, und denke an Opa Martin, und dass er sicherlich noch einige Anekdoten zum Münsterland beisteuern könnte, wenn er noch unter uns weilte.

Zu den Geschichten, die auch der wissenschaftlichen Recherche standhalten, gehört die Geschichte über den Martinstag. Benannt ist dieser Tag nicht etwa nach meinem Opa, sondern nach dem Heiligen Martin von Tours – seine Biographie findet man z.B. im Ökumenischen Heiligenlexikon (Klick!). Die Geschichten um die mit Martin assoziierten Attribute Mantel, Bettler, Gans und Lampions stehen ebenfalls an genannter Stelle exzellent aufbereitet.

Der 11. November, der Martinstag, galt also laut meinem Opa und meiner Geschichtsbücher in früheren Zeiten als Abschluss des Wirtschaftsjahres; er markierte hiermit einen wichtigen Zins- und Rechtsstandstermin.

Zugleich begann am Martinstag offiziell der Winter; mit ihm bereitete man sich auf die Adventszeit vor – allerorten, auch in Münster gab es rund um den Martinstag ein buntes Brauchtum.

Folgendes habe ich zum Martinstag in Münster gefunden:

Am 10. November 1617, am Tag vor St. Martin, wurden die städtischen Botmeister (Schutzleute) vom Rat beauftragt, allen Bürgern von Haus zu Haus mitzuteilen, daß kein „Martinfeuer wie ein zeithero in Mißbrauch“ (Ratsprotokoll) gewesen, angezündet werden solle. Die Domschüler zogen am Martinstag in der winterlichen Dämmerung mit festlicher Ausgelassenheit durch die Stadt und sangen auf den Plätzen und Straßenkreuzungen ein einstimmiges Lied, das sie bei einem Lehrer gelernt hatten. Die Jesuiten schafften diesen Brauch noch 1588 ab. Nicht verhindern konnten sie in diesem Jahr, daß die älteren Schüler wie gewohnt am Vorabend des Martinstages ihr Gelage hielten. Da es keinen freien Nachmittag gab, blieb die Rhetorikklasse fast geschlossen dem Unterricht fern.

Quelle: Ludwig Remling, Brauchtum, Feste, Volkskultur, in: Franz-Josef Jakobi (Hrsg.), Geschichte der Stadt Münster, Aschendorff Verlag, Münster 1993, Band 1, S. 596

Weil am 11. November der Winter begann und die Vorbereitungszeit auf Weihnachten auch eine Art Fastenzeit war, wollte man ein letztes Mal so richtig genießen und feiern – und das war der Ursprung der leckeren St.-Martins-Brezeln und fetten Gänse-Essen (auch dieses Jahr wieder in allen guten Münsteraner Gasthäusern) einerseits und der Karnevalsausrufe andererseits (11.11. um 11:11 Uhr beginnt die neue Karnevalssession! Die Bühne vorm Stadtweinhaus steht bereits am 9.11. bereit.).

Übrigens gehen nicht nur katholische Kinder mit Laternen zum St. Martins-Umzug, auch die evangelischen Kinder machen so etwas – allerdings wird beim protestantischen Laternengang vielleicht eher an die Taufe des Martin Luther gedacht (11. November 1483). Martin Luther ist aber wahrscheinlich, genau wie mein Opa, nach dem Heiligen Martin von Tours benannt worden.

Die Martinsumzüge begleitet oft ein Martin zu Pferde, mit rotem Umhang und römischem Helm, und dabei werden Martinslieder gesungen. Wer noch Martinslieder mit Texten und Gitarrenakkorden braucht, wird z.B. auf den Seiten der Liederkiste fündig: (Klick!)

Ein lustiger Spruch zum Thema:

You know that you are German when you went with your lantern and your lantern went with you 😉 

Im katholischen Münster wurden zumeist nicht Geburtstage, sondern Namenstage gefeiert, und da es bis heute viele Martins gibt (im Telephonspeicher meines Mobiltelephones stehen derer gleich 5 – phünphe), feiern am Martinstag auch viele Martins und ihre Familien „ihren“ Tag.

Allen Martins und Martinas einen richtig schönen, friedlichen Martinstag, ob mit oder ohne Gans, lasst euch feiern!

 

3 Kommentare

  1. Rabin

    Immer wieder schön, mal was darüber zu lesen. 🙂 Bei uns gibt es zwar keinen Martin im Umfeld – aber dafür einen Umzug. Vielleicht spielt das Wetter ja mit und man kann es sich ansehen.

    Danke dir für den Bericht und einen schönen Martinstag. .)

  2. Wolfgang

    Hallo Martje,
    kommt Dein Name denn auch von Martina?
    Wenn ja, dann auch Dir einen schönen Namenstag!
    Viele Grüße
    Wolfgang

    • Türmerin

      Hallo Wolfgang, danke schön – Martje ist allerdings das Diminuativ von „Marta“ 🙂

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