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Turmstubenbücher Februar 2017

1. Tilman Röhrig, Der Sonnenfürst (2011)
2. Johann Hermann Hüffer, Erlebtes (1854)

Wie mögen diese beiden Bücher zusammenhängen? Was verbindet zwei Werke, die nicht nur zeitlich, sondern auch stilistisch weit, weit entfernt voneinander sind?

Das Phänomen ist äußerst spannend und inhaltsreich und führt uns in die Mitte Münsters zur Clemenskirche – ein absolutes Must-See für jeden Gast meiner neuen Heimat, und auch für Ureinwohner*innen immer wieder erstaunlich schön…

Hajotthu 2014

Foto: Wikimedia Commons, User Hajotthu 2014

Dieses Buch nehme ich im kurzen Monat Februar als erstes von zweien mit in meine Turmstubenbücherregalbretter:

Tilman Röhrig, Der Sonnenfürst, Pendo Verlag 2011 (bzw. Piper Taschenbuchverlag 2013) (ein Klick! führt zur Homepage des Autors)

Für History-Nerds:
Es geht bei den Protagonisten eines hier vorkommenden und wirklich ausgeführten Duells namentlich um den Komtur des Deutschen Ordens Johann Baptist von Roll (einen sehr engen Freund und Vertrauten des „Sonnenfürsten“, also des münsterischen Fürstbischofs Clemens August I. von Bayern), der am 5. Mai 1733 von Friedrich Christian von Beverförde zu Werries erstochen worden ist.

Letzterer wiederum war ein entfernter Cousin von Ferdinand von Plettenberg (Schloss Nordkirchen), einem Minister unter Clemens August, und auch zuständiger Vertreter des minderjährigen Sohnes seines Cousins. Von Plettenberg wurde aus dem Amt entlassen, da der Fürstbischof ihn hinter dem Duell-Streit mit tödlichem Ausgang vermutete. Daraufhin gab es ein ziemliches Chaos vor allem in der außenpolitischen Landschaft des Reiches und des Landes…

Leseprobe:
Die Männer hatten sich erhoben. Ein ungleiches Paar. Der Fürstbischof, schlank und hochgewachsen, trotz der zweiunddreißig Jahre noch jugendlich biegsam in der Bewegung, die Locken seiner dunklen Perücke lagen weich auf den Schultern. Der siebzehn Jahre ältere Freund und Komtur des Deutschen Ordens war kleiner und gedrungen, seine Gesten entschieden und das Haar kurz und schon angegraut.
Clemens streckte die Hand aus. Ehe von Roll sie ergreifen konnte, strich ihm der Fürst den Arm, tastete nach den Muskeln, streifte leicht den Hals. »Gute Nacht. Ich danke Gott, dass wir uns im letzten Jahr begegnet sind. Einen Freund zu haben, ist ein Geschenk. Mein Vertrauen, meine Zuneigung aber gehen noch darüber hinaus …« Er senkte die Stimme. »Du darfst mich festhalten. Bitte!«
»Liebster Clemens.« Johann schloss die Arme um ihn und der Fürst senkte das Gesicht, für einen Moment berührten sich die Wangen. »Gute Nacht.«

Warum habe ich mich im Februar 2017 für dieses Buch entschieden?
Weil mein ewiger Münster-Kalender mir folgendes Februar-Ereignis verriet:

Am 6. Februar vor 256 Jahren (1761) stirbt in seinem 61. Lebensjahr der Wittelsbacher Clemens August Ferdinand Maria Hyazinth von Bayern – besser bekannt als Clemens August I. von Bayern, genannt „Monsieur des 5 églises“, seines Zeichens Fürstbischof von Münster, Osnabrück, Regensburg, Paderborn und Hildesheim, Erzbischof von Köln und einige Titel mehr.

Hier in Münster bleibt er als prunkvoller Rokoko-Fürst in Erinnerung, der den Barock-Baumeister J. C. Schlaun förderte und nicht allein mit dem Entwurf eines Fürstbischöflichen Schlosses, sondern auch eines Klosters samt Hospital und Kirche beauftragte.

Die Baugeschichte des nach ihm so genannten „Clemens-Hospitals“ ist ein einziger Thriller:
Innerhalb von 20 Jahren änderten sich mehrfach Konzept und Standort… Ein begonnener erster Bau auf dem Neuplatz (heute: Schlossplatz) wurde plötzlich eingestellt. Der mutmaßliche Grund: Die Duell-Affäre im Umfeld des Fürstbischofs, der an ein Mordkomplott glaubte – siehe oben 😉

Der nächste Entwurf Schlauns für ein Hospital und eine Klosterkirche wurde ebenfalls nicht verwirklicht. Dann aber fand sich endlich ein Grundstück in der Nähe der Servatiikirche, und Schlaun machte sich an neue Pläne. Die dabei entstandene barocke Hospitalkirche war die Clemenskirche – leider (wie so vieles von Münsters Innenstadt) den Bomben des II. Weltkrieges zum Opfer gefallen; jedoch 1956 unfassbar schön wieder aufgebaut!
Das vorher existierende zugehörige Krankenhaus verlor wegen finanzieller und personeller Mängel alles Ansehen und Patienten…

1818 engagierte sich ein gewisser Johann Hermann Hüffer sehr für das Hospital (Hüffer ist uns bekannt als Enkel des Anton Wilhelm Aschendorff, der den Namen des Verlags und der Druckerei weiter führte – u.a. Westfälische Nachrichten – sein Grab ist übrigens auf dem aufgegebenen Hörster Friedhof, heute ein richtig schönes Naherholungsgebiet, doch das ist eine andere Geschichte, die an anderer Stelle erzählt werden wird, so Gott will…).

Nach Hüffers Plänen lag die Pflege nun bei den Barmherzigen Schwestern, die bald „Clemensschwestern“ genannt wurden. Über sein Modell der modernen katholisch gesprägten Armenfürsorge hat er (für seine Kinder) in seinen Memoiren geschrieben.

Und damit sind wir beim zweiten Werk der Turmstubenbücher des Februar 2017:

Johann Hermann Hüffer, Erlebtes, Aschendorff, Münster 1854

Sehr genial: Das Werk ist digitalisiert auf den Seiten der ULB Münster (klick!) einsehbar!

Einfach „Johann Hermann Hüffer“ in die Suchmaske eingeben, lesen und staunen!

In diesem Sinne: Bis bald, allseits fröhliches Lesen und viel Spaß beim Besichtigen des Vorraumes der wundervollen Clemenskirche (klick!) !


Übrigens:
Auf den virtuellen Seiten des heutigen Clemenshospitals erfährt man auch etwas über die interessante Geschichte (klick!). 

1 Kommentar

  1. Günter Habijan

    Es ist immer wieder erstaunlich was Du an geschichtlichen Sachen herausfindest und zum nachlesen weitergibst. Ich habe ja als junger Polizeischüler 1966/67 die Clemens-Kirche noch unvollendet gesehen. Man war mit dem Innenrestaurierung beschäftigt.
    Jetzt kann ich noch mal etwas darüber lesen, das finde ich schön.
    Herzliche Grüße aus Herne
    von Günter!

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