Portrait eines besonderen Turmes / Stuttgart als ein Ziel der langjährig angelegten Türme-Europas-Tour der Türmerin von Münster („Tour des tours“):

Das Wahrzeichen der Stadt Stuttgart, der Fernsehturm, war 1956 der allererste seiner Art. Konzipiert als architektonische Pionierleistung – eine 217m hohe Betonnadel mit Bienenkorb statt der bis dahin üblichen Stahlgittermasten – von Bauingenieur Fritz Leonhardt (1909-1999) und Architekt Erwin Heinle (1917-2002), hat der Turm in 150m Höhe eine Aussichtsplattform, außerdem gab es ein Café und ein Sterne-Restaurant.

Weil aber aufmerksame Verwaltungsmitarbeiter den Oberbürgermeister Fritz Kuhn informierten, dass ein sicherer Fluchtweg fehle und der Brandschutz mangelhaft wäre, wurde 2013 angeordnet, den Turm sofort zu schließen.

Tatsächlich gab es mehrere Vorfälle in der Restaurantküche, worauf oftmals die Feuerwehr anrückte (siehe Süddeutsche Zeitung Nr. 245 vom 24. Oktober 2014: Stefanie Järkel „Der Erste seiner Art“ sowie Stuttgarter Nachrichten vom 28. März 2013: Steffen Rometsch und George Stavrakis „Warum Stuttgarts Kultturm Weltruhm genießt“).

Dieser berühmte Fernsehturm, der Vorbild war für den Johannisburger Sentech Tower, die Space Needle in Seattle uvm, dieses Wahrzeichen, das zunächst misstrauisch betrachtet worden ist und dann um so heißer geliebt, er bekam einen renommierten Architekturpreis (1959), wurde 1986 unter Denkmalschutz gestellt und 2009 von der Bundesingenieurkammer als „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ geadelt – zahllose Promis gaben sich hier die Klinke in die Hand: Queen Elizabeth II., Yehudi Menuhin, Thomas Gottschalk, die Klitschkos u.v.a. – und viele Kunst- und Abenteuerprojekte fanden hier statt:

Die Schauspielbühnen Altes Schauspielhaus und Theater Rampe führten unter dem Namen „Theater über den Wolken“ Produktionen auf 144m Höhe auf;

beim SkyRun (gibt es jetzt auch in Münster!) mussten die Sportler*innen 762 Stufen bis zur Plattform hinaufsprinten;

1993 installierte der slowenische Konzeptkünstler Branko Šmon vierundzwanzig rote Windsäcke unterhalb des Turmkorbs an einer Stahlseilkonstruktion;

2001 sprangen Klaus Renz und zehn weitere Basejumper von der Plattform;

2004 fuhr der ehemalige Hochseilartist Johann Traber (der 2006 in Hamburg verunglückte und sich ins Leben zurück gekämpft hat) mit einem Smart mit Spezialrädern auf Stahlseilen 53m am Fernsehturm hoch…

Dieser wunderbare Turm also ist geschlossen, kein Restaurant mehr, keine gute Aussicht bis nach Südtirol, über die Schwäbische Alb und den Odenwald, der Einzige, der hier täglich noch mit dem Aufzug hochfährt, ist ein Betriebstechniker.

Seit 2006 die Fernsehsender digitalisiert worden sind, strahlt der Fernsehturm nur noch Rundfunk aus (SWR).

Aber nun! Es gibt Hoffnung für alle Turm-Fans und ein neues Reiseziel für die „Tour des tours“ der Türmerin von Münster: Im Dezember 2015 soll der Stuttgarter Fernsehturm neu eröffnet werden! Mit modernem Sicherheitskonzept, schickem Brandschutz und auch wieder mit Restaurant in schwindelnder Höhe!
Wir werden die Entwicklungen im Auge behalten und bei Gelegenheit zur Besichtigung fahren.

Link: Fernsehturm Stuttgart


Beitragsfoto von „Elex30“, Quelle: http://www.fotocommunity.de/pc/pc/display/21328953