Wenn das Wetter zwischendurch mal wieder schön ist, sind Radtouren im Münsterland sehr beliebt (bei Vielen auch dann, wenn das Wetter nicht so schön ist), und am allerschönsten sind Touren, auf denen man etwas entdecken kann, sich auf Spurensuche begeben, und an deren Höhepunkt ein Etappen-Ziel stehen kann (eine Einkehr zum Käffchen zum Beispiel).

Eine besondere Art der Spurensuche ist eine Tour Richtung Handorf, durch das Waldgebiet und den Boniburgpark.

Kartenausschnitt

Kartenausschnitt von www.muenster.de

Das Schloss, das Boniburg genannt wurde, ist nicht mehr zu sehen, aber der Park, mit einigen besonderen Bäumen, ein Mauerrest und eine uralte, mittlerweile leider abgestorbene Blutbuche sprechen von früheren, lebhaften Zeiten, wenn man das Ohr ganz aufmerksam in die Natur und die Augen offen hält und ein bisschen Hintergrundwissen im Gepäck hat…

Im Internet gibt es einige Ansichten auf alten Postkarten von der „Boniburg“, einiges davon im Bildarchivbestand des LWL!

Um 1868 ließ der Regierungsrat Eduard von Schlebrügge (kurzes „unnützes Wissen“ am Rande: Der Großvater der Schauspielerin Uma Thurman war ebenfalls ein Herr von Schlebrügge!) eine Villa errichten, die 1875 durch den Grafen Bonifatius von Hatzfeld-Trachenberg erworben wurde. Diese Adelsfamilie stammt aus dem ehemals deutschen Trachenberg in Niederschlesien, heute Żmigród in Polen. Hier ein schöner Turm-Bezug:

„Das Stadtwappen von Żmigród zeigt in rotem Feld einen grauen Wehrturm, der mit einem goldenen Kreuz bekränzt ist. Um den Turm windet sich ein grüner Drache.

Der Name der Stadt ist abgeleitet vom altpolnischen Wort „żmij“ (Drache) und „gród“ (Burg).“ (aus: www.wikipedia.de)

Durch eine Erweiterung und schließlich 1898 den Neubau (in diesem Jahr wurde auch der neue Lamberti-Kirchturm fertiggestellt!) wurde aus der Villa eine richtige Neu-Renaissance-Schloss-Anlage, die nach dem Inhaber „Boniburg“ genannt wurde. Der Graf wohnte selbst dort, gemeinsam mit seiner 1. Frau Olga von Manouckbay (auch: Manoukbey, aus dem heutigen Moldawien), danach seiner 2. Frau Aline Collee Janssens aus dem nord-belgischen Turnhout.

Die „russische Prinzessin“ Olga brachte sehr viel Geld mit in die Ehe, wodurch die ganzen Erneuerungen und allerlei Bauten finanziert werden konnten. Mit Aline war der Graf Bonifatius nur knapp 3 Monate verheiratet, dann starb er. Beigesetzt worden ist er in der Grabkapelle der Dyckburg – was zum noch sichtbaren, wunderschönen Baustein der Geschichte des illustren Grafen führt:

1884 – während dieser Zeit wurde im Herzen Münsters gerade der Turm von St. Lamberti abgetragen – erwarb Bonifatius die beiden Wirtschaftsgebäude und die sogenannte Loreto-Kapelle (eine populäre Form der Nachbildung der Basilika von Loreto, dem italienischen Wallfahrtsort). Diese Kapelle, errichtet durch den in Westfalen omnipräsenten Johann Conrad Schlaun, ließ der Graf erweitern (durch den ebenfalls sehr bekannten Baumeister Johann Christoph Rincklake), heute kennen wir die entstandene Kirche als Dyckburgkirche (dyck kommt von „Teich“).

Zwischenbemerkung: In der Dyckburgkirche finden immer wieder wunderschöne hörenswerte Konzerte statt, die Ankündigungen findet man unter „Dyckburger Konzerte“.

Vor seinem Tode schenkte Graf Bonifatius die Kirche der Gemeinde St. Mauritz. Ein paar Jahre nach seinem Tode verkaufte die Witwe Aline das zugehörige Gut und die Boniburg an die Stadt Münster.

Deshalb wohnte auch der Städtische Türmer Roland Mehring (mein Vor-Vorgänger) in einem der Wirtschaftsgebäude auf dem Gelände der Dyckburgkirche!

Zum eingangs erwähnten Thema „Einkehren in eine Wirtschaft als Etappen-Ziel einer Entdeckungs-Tour“:

Die Boniburg war vor dem 2. Weltkrieg übrigens eine vornehme münstersche Kaffeewirtschaft – heute noch existente Traditions-Kaffeewirtschaften: Hotel, Restaurant & Kaffeehaus Wienburg, Hotel und Kafeehaus Nobis Krug, Landgasthof Pleistermühle….

Auf der Seite von Henning Stoffers ist eine Postkarte mit einer Ansicht des „Kurhauses Schloss Boniburg“ zu sehen, welches nach der Kaffeehaus-Zeit durch den Hotelier Ernst Roeber geführt wurde.

Im 2. WK wurde die Boniburg-Kaffeewirtschaft durch Brandstiftung extrem beschädigt, leider danach nicht mehr weitergeführt; die Reste wurden 1970 beseitigt.

Viel Spaß beim Entdecken der letzten versteckten Reste der Terrassentreppen und Stützmauern der Anlage und allem Drumherum!

Weiterführende Literatur findet sich z.B. in der Monasteria-Bibliothek (Präsenzbibliothek im Stadtarchiv).