Das war eine ganz besondere Interview-Situation: André Pabst alias Sprachlupe stellte mir Fragen – und zwischendurch fragte ich ihn, sozusagen ein Cross-Interview!

Wer ist André Pabst alias Sprachlupe? Ein ehemaliger Münsteraner, den die Arbeit u.a. als Dozent für deutsche Sprache in die schöne Hansestadt Hamburg geführt hat. Aber als Hamburger würde der Mann hinter dem Blog Sprachlupe sich nicht bezeichnen, obgleich er schon seit 2005 dort oben weilt und ein paar seiner Wörter schon recht hamburgisch angeschliffen klingen. Er ist und bleibt Münsteraner und ist bei jedem Besuch bei der Familie froh, seine alte Heimat wiederzusehen.

In seinem Blog geht es um das „Heute, Gestern und Morgen der deutschen Sprache.“

Heute, Gestern und Morgen sind auch Themen meines Blogs, mit Fokus auf Münster und dem einzigartig aktiv gelebten Türmerwesen.

Auf die Idee des Cross-Interviews sind wir gekommen, weil ich als „Fan“ der deutschen Sprache und ihren Eigenheiten auch „Fan“ seines Blogs Sprachlupe bin – meine Schwester machte mich darauf aufmerksam, dass dahinter ein Münsteraner steckt! Weggezogener spricht mit Zugezogener, das ist doch ein prima Konzept.

Seine Fragen zielten – natürlich – auf mein Dasein als Türmerin und verbanden dies geschickt mit Grammatik für Anfänger: „Welche Verben beschreiben am besten deine Haupttätigkeiten?“ – Ich outete mich direkt als Übersetzungsgenie und fragte: „Verben sind Tu-Wörter, ne?“

…und in meinem speziellen Falle sind das sogar Tut-Wörter, kleiner Spaß am Rande…

André hingegen outete sich im weiteren Verlauf des Gesprächs als perfektionistischer Sprachforscher; auf meine Frage: „Was ist richtig, das ‚münster(i)sche‘ Wetter oder das ‚Münsteraner‘ Wetter?“ befragte er erstmal seine eigenen virtuellen Aufzeichnungen, die er vor einiger Zeit zu einem ähnlichen Thema zusammenrecherchiert hatte, damit er auch alles richtig wiedergeben würde – bei ihm ging es um den ‚Hamburger‘ Senat und die ‚hamburgische‘ Bürgerschaft. Ausgehend von diesem Phänomen, das sich im Sprachgebrauch der Hamburger bzw. im Sprachgebrauch außerhalb Hamburgs etabliert hat, forschte André weiter und machte die Erfahrung, dass ‚Münsteraner‘ XY einen starken vordergründigen Bezug zur Stadt Münster bedeutet, während ‚münsterisches‘ XY stärker die (Charakter-)Eigenschaften von XY als typisch münsterisch meint. So weit, so klar? Man kann also tatsächlich beides sagen – die Münsteraner (immer großgeschrieben) Türmerin ist richtig, denn die Türmerin ist eine Angestellte der städtischen Einrichtung Münster Marketing und damit zur Stadt Münster gehörig. Als münster(i)sche (kleingeschrieben) Türmerin identifiziert sie sich selbst sehr stark mit der Stadt Münster und ist Türmerin in Münster auch aus Berufung.

Das münster(i)sche Wetter hingegen macht sowieso was es will, überregional bekannt ist ja folgende Faustformel: Entweder es regnet oder es läuten die Glocken oder es wird mal wieder eine neue Kneipe eröffnet. So gesehen kann das Wetter in Münster auch als fest zur Stadt gehörende Institution gelten und ist damit das Münsteraner Wetter. Wer jetzt dazu noch Fragen hat – bitte nicht an mich, ich bin hier die Zugezogene, aber der Weggezogene (André) freut sich sicherlich über Sprachpost!

Aus seinem Blog:

-er und -isch

sind ein tolles Paar. Sie haben aber verschiedene Funktionen:

  • -er signalisiert die Zugehörigkeit zur Stadt oder den Bewohnern dieser Stadt. Mit dieser Endung bilden wir ein Adjektiv, das man nicht flektiert, aber immer großschreibt: die Berliner Luft, der Kölner Karneval, die Münchner Stadtbibliothek, der Hamburger Dom.

  • Mit –isch geht man eher auf Charaktereigenschaften der Bewohner oder ihrer Sprache ein. Das darauf gebildete Adjektiv wird flektiert und nur bei Eigennamen großgeschrieben:

Ganz oben auf dem Turm von St. Lamberti schauten wir plaudernd über die langsam dunkler werdende Stadt und entdeckten immer wieder Dinge, die sich im Laufe der letzten Jahre verändert haben, und die man wohl nur aus der Höhe so übersichtlich und deutlich wahrnehmen kann. Die Baustelle des Hauptbahnhofs, die neue Beleuchtung des Domplatzes, Café Kleimann ohne Betrieb, die Lichtspiele im Hafengebiet… Die Schiffe des Hamburger Hafens übrigens sieht und hört man ganz hervorragend vom Michel (St. Michaelis), wo es ja auch Türmer gibt – allerdings gilt hier wieder: Andere Türme, andere Sitten; die Hamburger *g* Kollegen sind Angestellte der Kirchengemeinde und spielen morgens und abends Choräle auf der Trompete… (Mein Bericht über einen der Hamburger/hamburgischen Kollegen hier, klick!)

Ich wollte gerne wissen, ob André sich vorstellen könnte, wie ein typischer Bumerang-Münsteraner wieder nach Münster zu ziehen, was er nicht völlig verneinte, aber auch andere Städte würden ihn reizen, z.B. Köln – weil der Kölner (kölsche 🙂 ) Humor doch sehr viel eher seinem eigenen entspricht. In Hamburg würde er dagegen oft schräg angesehen, wenn er sprachlich launig wird, sagt er mit Schulterzucken.

Und so verging die Zeit wie im Fluge, er berichtete sehr viel Interessantes, z.B. über sein Hobby, das Theaterspielen, mit Impro-Theater ging alles los, mittlerweile spielt er auch feste Rollen mit langen Textpassagen, und auch das liegt ihm.

Vom Hölzken kamen wir auf’s Stöcksken, und auf einmal war Mitternacht – Zeit für das letzte Tuten des Abends! Ich tute, du tutest, er/sie/es tutet, wir tuten, ihr tutet, sie tuten! Gesägt, tun getan (sagt Onkel Hotte alias Oliver Kalkofe)!

Neben Tu-Wörtern wurde ich übrigens auch nach Wie-Wörtern gefragt, und was André alias Sprachlupe sonst noch von mir wissen wollte, lest ihr auf seinem Blog (Klick!) – auf Facebook (Klick!) ist der Kollege auch.