The Tuuut must go on – so ähnlich sang schon Freddy Mercury… Ich nutze diese widrigen Zeiten zu historischen Recherchen rund um mein Spezialinteresse: St. Lamberti zu Münster!

In diesem ersten Teil meiner Fortsetzungsgeschichte rund um den Bau des Lambertikirchturmes geht es um den ursprünglichen, den alten Turm. Dieser hat bis Ende des 19. Jahrhunderts ungefähr so ausgesehen:

alter Lambertiturm
Foto: Sammlung Friedrich Hundt, die Lambertikirche in den 1870er Jahren

Meine Hauptquelle sind die Werke des Kunsthistorikers und großen Stadtinventarisators Max Geisberg und die Aufzeichnungen seines Vaters, Stadtarchivar Heinrich Geisberg.

Schon Geisberg senior hat 1859 die Baugeschichte des Lambertikirchturmes recherchiert und aufgeschrieben. Viele Jahre später, 1942, ist Geisberg junior (erneut) zum Direktor des Landesmuseums der Provinz Westfalens ernannt worden und seitens des Provinzialverbandes beauftragt worden, die „Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Münster“ zu bearbeiten – 6 Bände und monatelange Arbeit; der letzte Band behandelt die Stadt- und Marktkirche St. Lamberti. Und dazu kam (kriegsbedingt verspätet) ein Ergänzungsband heraus, den ich dank Herrn Rudolf Söbbeke hier vorliegen habe – herzlichen Dank dafür noch einmal, ein hochspannendes Werk!

Darin heißt es:

Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, daß die heutige Lambertikirche das dritte Gotteshaus an dieser Stelle ist, und der 1881 abgebrochene, seit 1887 durch einen Neubau ersetzte Turm diesen drei verschiedenen Bauepochen der Kirche angehörte.

Geisberg, AAO, S.3

Man hört und liest häufig die Behauptung, nach Grundsteinlegung der Lambertikirche in ihren heutigen Ausmaßen (1375) habe der Totengräber „Cornelius N.“ aus eigenem Portefeuille den Ausbau des Turmes gezahlt – dafür gibt es offenbar aber keine Belege, und Max Geisberg hält es für äußerst unwahrscheinlich. Zurückzuführen sei diese urban legend wohl auf Hermann von Kerssenbrock, der in seinen Aufzeichnungen schrieb, dass:

…der doetgrever daselbst, mit nahmen Cornelius N, die unkosten, damit de torn to desser hogede gekommen, gedaen heben…

Geisberg, AAO, S. 6

Fest stehe aber, dass der Lambertikirchturm wirklich einige Male erhöht worden ist, ohne Rücksicht auf das Fundament – und gerade die letzten beiden Bauabschnitte bis Ende des 14. Jahrhunderts hätten sich „bitter gerächt“, und

…das schöne und geschichtlich so wichtige Baudenkmal bis auf den letzten Stein des Fundamentes abzubrechen…

Geisberg, AAO, S. 7

…sei ein Vorgang von großem Interesse. Herausbekommen habe er über die genaue Turmbaugeschichte leider zu wenig, denn viele frühe Aufzeichnungen seien verloren gegangen. Aber 1939 fand er folgendes:

  • Der Grundriss des Turmes sei ein Rechteck gewesen – kein Quadrat.
  • Der älteste Turm sei 17,2 Meter hoch gewesen.
  • Beim dritten Ausbau-Abschnitt sei der Turm schon auf 50,15 Meter erhöht worden.

Und:

Die höchst eigenartige, seltene Form dieses Abschlusses des Turmes durch eine Plattform mit einer achtseitigen, 7,9 m im Durchmesser und etwa 7,5 m in der Höhe messenden Kuppel ist wohl nicht auf eine Besorgnis des Baumeisters zurückzuführen, der aus fünf Geschossen verschiedenen Alters sich zusammensetzende Turm werde einen hohen Turmhelm nicht ohne Gefährdung seiner Standfestigkeit tragen können. Vielmehr ergab sie sich aus dem Charakter des Kirchturms, der unbestritten der Wachtturm der Stadt war, die Alarm- und Feuerglocke des Rates beherbergte und dessen Wächtern bei Tag und Nacht Unterkunft gewährte. Immer wieder betonen die Ratsprotokolle, daß der Kirchturm specula civitatis sei. Rat und Kirchspiel beschlossen 1568, daß sie die Kosten der Wiederherstellung des Turmes jeder zur Hälfte übernehmen, eine Entschließung, die später in Vergessenheit geraten zu sein scheint, als laut Ratsprotokoll vom 1. XII. 1800 die Stadt sich auf den Standpunkt stellte, daß der ganze Lambertiturm ausschließlich der mit Kupfer gedeckten Kuppel den Magistrat nichts angehe, und 28. XII. 1801 von dem Kirchspiel verlangte, Kuppel, Spitze und Umgang würden von der Stadt nur wegen der Wache darauf in Stand gehalten, und abgesehen von der Brandglocke falle von Turmglocken, Uhrglocken und vom Stapel des Turmes der Stadt nichts zur Last.

Geisberg, AAO, S. 10

… Diese historische Turmgeschichte wird zu gegebener Zeit fortgeführt, es bleibt spannend, bleiben Sie mir gewogen und gesund und munter zuhause

Ihre und eure Türmerin von Münster.


Weiterführende Links:

Max Geisberg bei Henning Stoffers, Klick!

Hermann (von) Kerssenbrock auf der Seite
Deutsche Biographie, Klick!

Aus der Chronik der St. Lambertikirche, Klick!