Vor 60 Jahren, also im Jahr 1956, wurde der schöne St. Paulusdom in Münster feierlich wiedereröffnet. Im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges ist er zerstört worden, wie fast die gesamte Innenstadt. Von St. Lamberti aus blicke ich jeden Abend (außer dienstags) über dieses unglaubliche, wiederauferstandene Münster, im Westen liegt hinter den Giebelhäusern der Dom.

Paulusdom durch das Maßwerk von St. Lamberti

St. Paulusdom, Blick von St. Lamberti gen Westen. Foto: Martje Saljé

Es ist äußerst berührend, wie viel Energie und Liebe in den Wiederaufbau geflossen ist, der Dom, das Historische Rathaus und die Giebelhäuser am Prinzipalmarkt sind die wichtigsten Zeugnisse darüber. Man hat sich hier ganz bewusst für eine Anlehnung an das alte Stadtbild entschieden und nicht für „schnell und billig“, wie manchandererorts – und davon profitieren wir heute und in der Zukunft.

Foto: Birgit Leimann

Giebelhäuser. Foto: Birgit Leimann, Münster in Bildern https://www.facebook.com/muensterinbildern

Neun alte Domglocken und die zwei Uhrglocken haben die Bombenangriffe leider nicht überlebt – darunter waren zwei Glocken aus dem Domweihe-Jahr 1264, eine Uhrglocke aus dem 14. Jahrhundert und die „Englische Jagd“ aus den Jahren 1538 und 1683, die in festem Rhythmus angeschlagen („gebeiert“) wurde.

Wer sich für das Läuten von Hand interessiert, kann z.B. den Küster Theo Meier von Billerbeck befragen, er ist zuständig für den dortigen Ludgerusdom und beiert auch die drei Glocken der Stadt- und Archidiakonatskirche St. Johann (Johannis-Kirche)  – einen Bericht über meinen Besuch in Billerbeck findet ihr hier (Klick!).

Küster Theo Meier, Billerbeck

Küster Theo Meier, Billerbeck. Foto: Martje Saljé

Zurück nach Münster:

Zur Wiedereröffnung des restaurierten Domes hat der Glockengießermeister Josef Feldmann zusammen mit seinem Schwiegersohn Marschel in der Gießerei Feldmann und Marschel in Münster-Loddenheide ein neues großes Geläut von bronzenen Glocken angefertigt. Die älteste Glocke ist die erhaltene Ludgerusglocke aus dem Jahr 1526. Sie wurde von dem westfälischen Glockengießer Wolter Westerhues gegossen.

120 Dezibel erfüllen jetzt den Turm, wenn alle Glocken läuten (vergleichbar mit einem startenden Düsenjet!) Als letzten Ton des Vollgeläuts hört (und spürt!) man die sehr, sehr tiefe Kardinalsglocke (Kardinal von Galen geweiht) in fis, sie wiegt 7,6 Tonnen. Alle Glocken zusammen wiegeh etwa 20,6 Tonnen. 2012 wurde das alte Gerüst aus Eisen durch einen neuen Holzglockenstuhl ersetzt. Seitdem klingen die Glocken noch schöner und weicher. Alles über die Domglocken: Hier (Klick!).

Das Geläut:

Kardinal ::: Ton: fis ::: Durchmesser: 2,30 m ::: Gewicht: 7604 kg

Bernardus ::: Ton: gis ::: Durchmesser: 2,02 m ::: Gewicht: 4990 kg

Paulus ::: Ton: h ::: Durchmesser: 1,70 m ::: Gewicht: 2940 kg

Petrus ::: Ton: cis‘ ::: Durchmesser: 1,50 m ::: Gewicht: 2036 kg

Ludgerus ::: Ton: e‘ ::: Durchmesser: 1,15 m ::: Gewicht: 1000 kg (alt)

Andreas ::: Ton: fis‘ ::: Durchmesser: 1,10 m ::: Gewicht: 790 kg

Maria ::: Ton: gis‘ ::: Durchmesser: 0,98 m ::: Gewicht: 535 kg

Michael ::: Ton: h‘ ::: Durchmesser: 0,86 m ::: Gewicht: 363 kg

Gabriel ::: Ton: cis“ ::: Durchmesser: 0,71 m ::: Gewicht: 213 kg

Raphael ::: Ton: e“ ::: Durchmesser: 0,59 m ::: Gewicht: 120 kg

Diese Glocken hängen im 60 Meter hohen Domsüdturm nun auf 34 und 37 Metern. Neu angekauft wurden zur Wiedereröffnung außerdem zwei Uhrglocken für den vollen und den Viertel-Stundenschlag, die von der astronomischen Uhr gesteuert werden:

Maria und Johannes Nepumuk (1766) ::: Ton: g‘‘ ::: Gewicht: 120 kg

Maria und Andreas (1772) ::: Ton:a‘‘ ::: Gewicht: 65 kg

Der Paulusdom und die Domkammer sind voll von kunsthistorischen und architektonischen Wundern und Details, mein Tipp: unbedingt eine Domführung buchen und sich begeistern lassen.

Auch ohne Führung möglich:

  • Sich am Geläut erfreuen und die Seele von den Schwingungen tragen lassen.

  • Die astronomische Uhr besichtigen: Um 12 Uhr mittags beginnt der zweimalige Umlauf der Heiligen Drei Könige – bis 2071 ist diese linksdrehende Uhr mit Kalender und Sternbildern konzipiert, ich werde dann mit 91 Jahren davor stehen und gucken, was passiert 🙂 

  • Den Teufel über dem Altar suchen. Eine Teufelsfratze und gegenüber eine Fledermausinkarnation befinden sich direkt über dem Hauptaltarraum, skurril, nicht wahr?

  • Innehalten im Kreuzgang mit Friedhof der Domherren, hinaufschauen zur Vanitas-Statue und sich der Endlichkeit des Lebens bewusst werden.