Für den September habe ich mir drei sehr unterschiedliche Bücher zum näheren Studium vorgenommen, an denen ich die geneigte Leserschaft gerne teilhaben lassen möchte. Lesenderweise stöbern und das Blättern von richtigem Papier, ob dünn oder dick, ist ein ganz eigener Genuss, den m.E. kein noch so zweifelsohne in mancherlei Hinsicht praktisches elektronisches Gerät ersetzen kann…
Gösta Clemens Peter: Lebenswerteste Stadt Münster. Fotografien von Gösta Clemens Peter, Text: Anne Mone. Münstermitte Medienverlag, Münster 2012
Clausberg/Kimpel/Kunst/Suckale (Hrsg.): Bauwerk und Bildwerk im Hochmittelalter. Anschauliche Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte. Anabas-Verlag, Gießen 1981 (1)
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. Herausgegeben von Friedrich Beißner. Büchergilde Gutenberg, Inselverlag, Frankfurt am Main/Wien/Zürich 1961
Gösta Clemens Peter: Lebenswerteste Stadt Münster. Fotografien von Gösta Clemens Peter, Text: Anne Mone. Münstermitte Medienverlag, Münster 2012
Im Vorwort von Oberbürgermeister Markus Lewe heißt es:
„(…)Denn Städte und Stimmungen zwischen Tradition und Moderne sind vor allem Seelenfutter. Als Heimat für ihre Bürgerinnen und Bürger. Und als Ort, der seine Besucherinnen und Besucher in seinen Bann zieht und berührt. (…)“
In Münster sind Tradition und Moderne, Alt und Neu, allerorts nahe zusammen, und die unvergleichlich schönen Fotos dieses Buches dokumentieren dies auf unvergleichliche Weise. Ein Beispiel: Der (alte) Turm der Überwasserkirche aus einer ungewöhnlichen Perspektive mit der (neuen) Diözesanbibliothek im Vordergrund (S. 50/51). Episch.
Im Begleittext zu den Bildern lernt man wie nebenbei ganz viel über Münsters bewegte Geschichte. Ein Beispiel:
„(…) Die zwischen 1375 und 1450 erbaute Markt- und Stadtkirche St. Lamberti befindet sich am Kreuzungspunkt der ältesten Stadtstraßen Münsters. In ihrer Turmspitze liegt das ‚höchste Dienstzimmer‘ der Stadt. Hier arbeitet der Türmer. Zwischen 21:00 und 24:00 Uhr ist halbstündig das laute Tuten seines Horns zu hören. Tradition hat in Münster einen hohen Stellenwert. Auch wenn der Türmer damit nicht mehr wie früher vor herannahenden Truppen warnt, hat er aus seiner Türmerstube schon vor der Feuerwehr Brände entdeckt. (…)“ (S. 23)
Ja – das Buch stammt aus dem Jahr 2012, damals gab es noch einen Türmer, eine Türmerin gibt es erst seit 2014, der Rest bleibt natürlich unverändert wahr! 😉
Clausberg/Kimpel/Kunst/Suckale (Hrsg.): Bauwerk und Bildwerk im Hochmittelalter. Anschauliche Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte. Anabas-Verlag, Gießen 1981 (1)
Vorwort:
„Diese Publikation gibt die auf dem Colloquium des Ulmer Vereins ‚Baukunst und Bildkunst des 13. Jahrhunderts‘ in Marburg gehaltenen Vorträge (bis auf einen) in überarbeiteter Form zum Druck.“
Obwohl es wie bei allen Wissenschaften auch in der Kunst- und Kulturgeschichte stets zu neuen Erkenntnissen und Thesen kommt, ist dieses Werk vom Anfang der 80er Jahre doch von großer Bedeutung, da hier wesentliche Forschungsstandpunkte interessant und deutlich aufgeführt sind, die auch heute noch diskutiert werden.
Ein Beispiel: Robert Suckales Beitrag „Thesen zum Bedeutungswandel der gotischen Fensterrose“ (S. 259ff.)
Suckale geht davon aus, dass seit der Errichtung der vier großen Westrosenfenster Kathedrale von Reims von 1260/70 durch Bernhard von Soissons die Darstellungsweise und Thematiken, die in den Jahren zuvor klar bestimmt waren, nun nicht mehr dieselbe Bedeutung hatten. Das beinhaltet die kosmologisch-theologischen Bildsysteme der Portale, Fenster sowie Handschriften. Er meint also, dass die Rose zwar weiterhin beliebtes Architekturmotiv geblieben ist – übrigens ja auch im neogotischen Turm von St. Lamberti zu Münster und vielen anderen Kirchen – aber fortan eben ohne den tieferen Sinnzusammenhang mit Glasbildern oder Skulpturen. Suckales Text geht dieser These eindrucksvoll nach und inspiriert den Anhänger der Rosen, selbst loszuziehen und den genannten Zusammenhängen auf den Grund zu gehen.
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. Herausgegeben von Friedrich Beißner. Büchergilde Gutenberg, Inselverlag, Frankfurt am Main/Wien/Zürich 1961
Weil Hölderlin unvergleichlich gute Übersetzungen (aus dem Griechischen – Homer…, aus dem Lateinischen – Ovid…) anfertigte und einfach mit einem lesenswerten Stil schrieb lese ich ihn hin und wieder sehr gerne. Und seine Gedichte eignen sich durchaus für Vertonungen, und so sitzt die Türmerin von Münster in der Turmstube von St. Lamberti und zupft auf der Laute zu den Versen Hölderlins.
Das genannte Buch hat mir dankenswerterweise mein Vorgänger Wolfram Schulze hier oben in der Turmstube gelassen.
Sehr schön zum Beispiel diese Zeilen hier:
„Abendphantasie. Vor seiner Hütte ruhig im Schatten sitzt
Der Pflüger, dem Genügsamen raucht sein Herd.
Gastfreundlich tönt dem Wanderer im
Friedlichen Dorfe die Abendglocke.
(…)
Komm du nun, sanfter Schlummer! Zu viel begehrt
Das Herz; doch endlich, Jugend! Verglühst du ja,
Du ruhelose, träumerische!
Friedlich und heiter ist dann das Alter.“