Der Tag des offenen Denkmals – immer im September, und ich habe so den Verdacht, dass es allein in Münster so unfassbar viel anzuschauen gibt, dass ich noch ein zweites und drittes Leben benötige, um alle denkwürdigen Denkmäler zu erforschen…

Einläuten

Am Tag vor dem Tag des Offenen Denkmals gibt es in Münster die Gelegenheit, nach Anmeldung einen Kirchturm zu besteigen und den Glockenstuhl zu besichtigen (Koordination: Stadtheimatbund Münster) – und natürlich lässt sich eine Türmerin das nicht entgehen.

Dieses Mal geht es am 8. September 2018 zur St. Mauritz Kirche – hier eine anklickbare Galerie meiner Eindrücke:

Glocken und frohlocken

Die Führung durch den Glockensachverständigen Dr. Claus Peter bringt uns zum Geläut der St.-Mauritz-Kirche mit Glocken aus mehreren Jahrhunderten. Wir bekommen zunächst eine kurze Einführung in die Kirchengeschichte, dann geht es hinauf zum Glockenstuhl, wo Glocken-Entstehung und -töne erklärt und analysiert werden, und auch die Inschriften und das Zierat wird genau angeschaut.

Übrigens sieht man vom Glockenstuhl der St. Mauritz-Kirche ganz wunderbar auch „meinen“ Kirchturm von St. Lamberti – hier das Beweisfoto:

St. Lamberti ist auch sichtbar!
Da hinten sieht man St. Lamberti! Foto: Johannes Giebeler

Interessant: Anscheinend zerstören die bilderstürmenden Täufer 1534 den Glockenstuhl; während das Gebälk aus robusten Eichen besteht, schmelzen die Kirchenglocken sofort durch die Hitze des Feuers – „campanis liquefactis“ berichtet der Täuferzeit-Chronist (Kerssenbrock).

Eine Urkundenabschrift aus dem 15. Jahrhundert erwähnt kurioserweise eine Glocke auf St. Mauritz, die einen Schlaghammer bekommen habe, um als Uhrglocke dienen zu können – gleichzeitig sei sie aber auch noch zum Läuten und Beiern für die Pfarrei gedacht gewesen. Kurios ist dieser Fund deshalb, weil als Jahr 1307 angegeben wurde – und das ist wirklich verdammt früh für eine öffentliche Uhr am Kirchturm, und auch verdammt früh für die Technik des Glockenanschlagens, Beiern… eventuell doch ein Fehler bei der Abschrift? Man weiß es nicht.

Ein Turmuhrwerk von etwa 1903 befindet sich auch heute nach 44 Stufen auf St. Mauritz; allerdings nicht mehr in Betrieb, es fehlt die Schlossscheibe (gestohlen!), und man müsste die gesamte Mechanik auseinandernehmen, säubern und einem Probelauf unterziehen – ein echtes, aber leider teures Desiderat, wie der Glockensachverständige Dr. Claus Peter erwähnt.

Nach 76 Stufen dann erreicht man den Glockenstuhl, teils auf abenteuerlich steilen Holztreppen. Dr. Claus Peter erklärt: Damit es keine „klanglichen Kampfhandlungen“ gibt, müssen vorhandene Glocken immer genau abgehört werden, wenn weitere dazukommen sollen. Dazu nutzt er extra für Glocken angefertigte Stimmgabeln, die er am Klangkörper ansetzt und mit einem Hämmerchen anschlägt. Man hört an verschiedenen Stellen der Glocke auch unterschiedliche (Ober-)Töne. Am Klangknoten treffen sich die Schwingungen und an dieser Stelle klingt die Gabel nicht an – denn Glocken schwingen immer in einzelnen Abschnitten, nie als Ganzes.

Gerhard van Wou – der große Glockengießer hatte einen Schüler: Wolter Westerhues, und dieser hat seinen Meister beim Glockenfertigen akribisch kopiert. Bei meinen Beiträgen über die Glocken von St. Lamberti hatte ich diese Namen bereits erwähnt.
Hier auf St. Mauritz nun ist die älteste erhaltene Glocke eine echte Westerhues’sche, von 1539! Auf ihr findet sich eine Inschrift, die Bezug nimmt auf die Vorgängerglocke – von den Täufern zerstört: a. cathabaptistis prior est corrupta malignis aclero haec plebis fuit hoc campana parata est anno domini m ccccc xxxviiii.

Auch der Nachfolger von Westerhues – Antonius v. d. Borch (van Utrecht) ist im Glockenstuhl von St. Mauritz vertreten: 1550 gießt er zwei große Glocken: Mauritius und Johannes.

Andere Glocken fielen leider dem 1. Weltkrieg zum Opfer. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die vernichtete Schlagglocke durch zwei neue ersetzt. 1989 wurden dann noch vier neue Glocken durch die Firma Petit&Edelbrock in Gescher angefertigt: Magnificat anima mea dominum, Nec laudibe nec timore (Kardinal Clemens August Graf von Galen), Niels Stensen und Gabriel.

Und am Schluss klingen dann über 10 Minuten lang diese vier Glocken, um uns zu sagen: Es ist drei Uhr nachmittags! Kaffeezeit! Und morgen viel Spaß beim Tag des offenen Denkmals! Ein Ausschnitt:

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