„Nicht der Schullehrer, sondern der Pfarrer ist der eigentliche vom Heilande selbst durch seine Kirche bestellte Lehrer und Erzieher der Jugend und der ganzen Gemeinde. Der Lehrer ist nur der Gehilfe des Pfarrers, nicht der selbstständige Erzieher.“
Wir schreiben das Jahr 1852, in Münster findet im September die sechste große Generalversammlung statt, nach Vorbild der allerersten Generalversammlung des katholischen Vereins Deutschlands vier Jahre zuvor in Mainz…
Organisiert sind diese Versammlungen von katholischen Laienverbänden zunächst von Komitees vor Ort. Ein Zentralkomitee, welches wie heute die Kontinuität und Abstimmung der aufeinanderfolgenden Generalversammlungen organisiert, gibt es erst ab 1868.
In Münster geht es bei diesem sechsten Event seiner Art also um eine Diskussion, wie es um den kirchlichen Einfluss auf die Schulen bestellt ist – der Pfarrer stehe ganz klar über dem Lehrer, so die weit geteilte Meinung des ehemaligen Schulrats und Domkapitular Franz Caspar Krabbe (Zitat siehe oben).
Unter den prominenten Rednern sind 1852 auch Adolph Kolping, Begründer des Kolpingwerkes und Wilhelm Emmanuel von Ketteler, Priester und Entwickler einer Soziallehre für eine gerechtere Gesellschaft.
Und dann wird in Münster beratschlagt, dass an Schulen am besten nur ausdrücklich Brüder und Schwestern unterrichten sollten – oder wenigstens solch weltliches Personal, welches eine eigene fundierte religiöse Erziehung vorweisen könne.
Die Themen der Katholikentage, wie die Generalversammlungen heute genannt werden, haben immer einen großen Einfluss auf die gesellschaftliche und kulturelle Debatte. Das Thema Schule ist nur eines, das immer wieder neu diskutiert wird.
1885
Der nächste Katholikentag in Münster findet 1885 statt.
Zeitgenössische Postkarten dieses Katholikentages zeigen den Neuplatz (später „Hindenburgplatz“, heute einfach und treffend „Schlossplatz“ genannt) mit einer riesigen Zirkuszeltkonstruktion:
Was hat es damit auf sich?
Zeitliche Einordnung: Ein Jahr zuvor, 1884, kehrte der „Kulturkampfbischof“ Johann Bernhard Brinkmann unter großem Jubel nach Münster zurück. 1875 wurde er abgesetzt, musste ins Gefängnis in Warendorf, ging ins Exil nach Holland – 1884 konnte er wiederkommen, ein berühmter Zeitzeuge war der spätere „Priesterdichter“ Augustin Wibbelt.
In diese Zeit der großen krassen Debatten zwischen dem preußischen Staat und der katholischen Kirche – dem sogenannten Kulturkampf (Erfinder des Begriffes: Rudolf Virchow, Fortschrittspartei) – fällt also der nächste Münsteraner Katholikentag.
Im Münsterland ist das katholische Gefüge fest ausgeprägt. Das Ende der Auseinandersetzungen ist absehbar, und genau deshalb sind die Katholiken der Diözese Münster sehr entschlossen, der Welt zu zeigen, dass diese Veranstaltung größer und schöner und besser wird als alles zuvor Gewesene.
Leider gibt es keinen großen Tagungssaal, noch keine Halle Münsterland, deshalb plant man mit dem Rathausfestsaal, dem Realgymnasium, dem Gesellenhaus, dem Schützenhof und der städtischen Dominikanerkirche. Aber den zuständigen Organisatoren schwant: Der Platz wird niemals ausreichen für alle Gäste…
Aber wie es der Zufall und die Geschichte wollen, hat der Zirkus Carré eine Bretterbude auf dem Neuplatz vor dem Fürstbischöflichen Schloss aufgebaut und führt dort unter anderem Pferdedressuren auf.
Das Lokalkomitee zögert nicht lange, und schnell wird man sich mit den Zirkusbetreibern einig, mietet die zeltförmige Bretterkonstruktion an und macht sich MacGyver-mäßig an den rasanten Umbau – schließlich passen ungefähr 5.000 Sitzplätze in den Raum, es wird noch flugs geschmückt mit Kränzen, Vorhängen, Lampions und subtropischen Pflanzen.
Erstmalig spricht ein Münsteraner Oberbürgermeister auf einem Katholikentag ein Grußwort.
Der Andrang an Gästen ist wie erwartet riesig – und am Ende ist trotz der Vorbereitung der „ganz große Zirkus“ immer noch zu klein; einige Teilnehmer müssen trotz bereits gekaufter Karten draußen bleiben oder stehen, eine Veranstaltung wird gar abgebrochen wegen des Gedränges…
1914
Der Krieg, den wir heute als Ersten Weltkrieg kennen, machte alle bereits geschlossenen Pläne, den Katholikentag 1914 wieder in Münster stattfinden zu lassen, zunichte.
Postkarten, die bereits dafür werben sollten, besitzen heute sicher einen gewissen Wert…
1930
Über den Katholikentag von 1930 – wieder in Münster – hat mein Kollege Henning Stoffers einen schönen Artikel geschrieben und reich bebildert, hier geht‘s zu seinem Beitrag: Klick!
Zur Einordnung: 1930 ist die wirtschaftliche und politische Lage angespannt, Heinrich Brüning ist Reichskanzler in einer Minderheitsregierung – und er kommt aus Münster.
Der Kommunikationswissenschaftler Holger Arning (Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der WWU Münster) schreibt:
„Das katholische Vereinsnetz prägt den Alltag und die Identität der Katholiken im Münsterland, und der Katholikentag ist ein Ereignis, das kaum jemand verpassen möchte. Die gesamte Innenstadt wird festlich illuminiert, mitsamt einem riesigen Kreuz auf dem Turm der Überwasserkirche.“
Bei der Abschlussversammlung betont Münsters Bischof Johannes Poggenburg, der Vorgänger von Clemens August Graf von Galen, ganz besonders die Sonntagsheiligung.
„Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat, lasset uns frohlocken und an ihm uns erfreuen.“
Mit dem Psalm beginnt der Bischof seine Rede – und auch dieses Thema ist uns bis heute geblieben: Verkaufsoffene Sonntage ja oder nein …
Poggenburg weiter:
„Nur die würdige Feier des Sonntags führt einstens die Seele nach der großen Woche des Lebens zu jenem erhabenen Sonntag des Himmels mit seiner ewigen Ruhe und Seligkeit.“
Und heute?
2016 gibt es einen Bürgerentscheid gegen verkaufsoffene Sonntage, unterstützt durch die Gewerkschaft ver.di, kirchliche Verbände und zahlreiche Prominente.
Im Stadtmuseum Münster gibt es derzeit eine kleine Präsentation im Foyer mit zeitgenössischen Fotos und Abzeichen von 1930.
Und der nächste Katholikentag steht ja geradezu vor der Tür – und zwar auch wieder in Münster! Es ist dies der 101. Katholikentag, und der allererste, den ich persönlich nicht nur irgendwie am Rande der Nachrichten mitbekomme, sondern als Wahl-Münsteranerin werde ich selbstverständlich direkt mit vollem Einsatz hineinhüpfen und so viel wie möglich von der Stimmung, den Debatten, den Menschen, den Impulsen mitbekommen. Mein Interesse gilt dabei vor allem den Lokalberühmtheiten (z.B. der Seligen Schwester M. Euthymia oder dem Kardinal Clemens August Graf von Galen) sowie allen Fragen der friedlichen modernen Ökumene.
In diesem Sinne: SUCHE FRIEDEN!
Wir sehen uns vom 9.-13. Mai 2018 in MÜNSTER!
Beim Thema Frieden geht es nicht nur um Krieg, sondern auch um den sozialen und den ganz persönlichen Frieden.
Die Sendung STATIONEN vom BR (Bayrischer Rundfunk) zeigt am 9. Mai 2018 um 19:00 Uhr ein Stadtportrait Münsters zum Katholikentag, und u.a. ich als Türmerin und Mensch werde darin zu meinem Ort des Friedens interviewt, bitte einschalten!
Die Seite BR Religion mit dem Link zur Sendung und weiteren Links findet ihr HIER (Klick!).
Hier ein Foto vom Dreh auf dem Turm:
Siehe dazu:
Holger Arning, Hubert Wolf: Hundert Katholikentage. Von Mainz 1848 bis Leipzig 2016. WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 2016
Holger Arning: Die Macht der Katholiken!?, in: MÜNSTER! Stadt. Land. Leben. Nr. 69, Mai 2018, S. 44-47
Beitragsbild: Stadtmuseum Münster
Vom 9. bis 13. Mai 2018 ist Münster Gastgeberin des 101. Katholikentags. Schon in den Jahren 1852, 1885 und 1930 hatten sich in Münster zahlreiche Gläubige zu diesem Großereignis versammelt. Über das letzte Treffen im Jahr 1930 informiert ab 4. Mai 2018 eine kleine Präsentation im Foyer des Stadtmuseums, mit zeitgenössischen Fotos und Abzeichen.
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