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#StMartin2020

Das Jahr 2020 stellt die Erdbevölkerung vor große Herausforderungen. Die Corona-Pandemie ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Verzicht aus Rücksichtnahme ist eines der Gebote der Stunde – so fallen auch die traditionellen Martinsumzüge aus; oder besser ausgedrückt: Statt Laternenumzug werden an diesem Martinstag die Laternen in die Fenster gestellt! Unter dem Hashtag #StMartin2020 werden die Fotos im Internet geteilt, die Aktion startete das Bistum Limburg.

Münsters größte Laterne ist in diesem Jahr die Spitze der St. Lambertikkirche, rot beleuchtet, eine Laterne für ganz Münster!

Lambertikirchturmspitzenbeleuchtung zu St. Martin 2020, Foto: m-ART-je
Lambertikirchturmspitzenbeleuchtung zu St. Martin 2020, Foto: m-ART-je (von schräg unten auf der Galerie rund um die Turmstube fotografiert – habt ihr bessere Fotos? Vielleicht vom Prinzipalmarkt aus aufgenommen? Bitte teilt sie mit mir!)

Im Jahr 2017 war COVID-19 noch kein Thema, in dem Jahr war ich drei Jahre lang Türmerin von Münster und schrieb einen Artikel über den Tag des Heiligen Martin von Tours, der Namengeber von Martin Luther und auch von meinem Opa gewesen ist. Diesen Artikel möchte ich noch einmal mit euch teilen:

Mein Opa hieß Martin. Opa Martin war Geschichtslehrer und vermochte es, so anschaulich zu erzählen, dass man meinte, er sei bei allen historischen Highlights und Lowlights in persona zugegen gewesen. Nicht alles, was er erzählte, ist wissenschaftlich haltbar, es war auch immer allerlei äußerst unterhaltsames Seemannsgarn dabei, bei vielem bin ich mir bis heute – trotz eigenem Geschichtsstudium – gar nicht sicher, ob es so war, wie er berichtete, oder doch völlig anders, so gut klang es, wenn Opa Martin erzählte...

Heute sitze ich auf dem Turm von St. Lamberti, führe eine jahrhundertealte Tradition fort, und denke an Opa Martin, und dass er sicherlich noch einige Anekdoten zum Münsterland beisteuern könnte, wenn er noch unter uns weilte.

Zu den Geschichten, die auch der wissenschaftlichen Recherche standhalten, gehört die Geschichte über den Martinstag. Benannt ist dieser Tag nicht etwa nach meinem Opa, sondern nach dem Heiligen Martin von Tours – seine Biographie findet man z.B. im Ökumenischen Heiligenlexikon (Klick!). Die Geschichten um die mit Martin assoziierten Attribute Mantel, Bettler, Gans und Lampions stehen ebenfalls an genannter Stelle exzellent aufbereitet.

Der 11. November, der Martinstag, galt also laut meinem Opa und meiner Geschichtsbücher in früheren Zeiten als Abschluss des Wirtschaftsjahres; er markierte hiermit einen wichtigen Zins- und Rechtsstandstermin.

Zugleich begann am Martinstag offiziell der Winter; mit ihm bereitete man sich auf die Adventszeit vor – allerorten, auch in Münster gab es rund um den Martinstag ein buntes Brauchtum.

Folgendes habe ich zum Martinstag in Münster gefunden:

Am 10. November 1617, am Tag vor St. Martin, wurden die städtischen Botmeister (Schutzleute) vom Rat beauftragt, allen Bürgern von Haus zu Haus mitzuteilen, daß kein „Martinfeuer wie ein zeithero in Mißbrauch“ (Ratsprotokoll) gewesen, angezündet werden solle. Die Domschüler zogen am Martinstag in der winterlichen Dämmerung mit festlicher Ausgelassenheit durch die Stadt und sangen auf den Plätzen und Straßenkreuzungen ein einstimmiges Lied, das sie bei einem Lehrer gelernt hatten. Die Jesuiten schafften diesen Brauch noch 1588 ab. Nicht verhindern konnten sie in diesem Jahr, daß die älteren Schüler wie gewohnt am Vorabend des Martinstages ihr Gelage hielten. Da es keinen freien Nachmittag gab, blieb die Rhetorikklasse fast geschlossen dem Unterricht fern.

Quelle: Ludwig Remling, Brauchtum, Feste, Volkskultur, in: Franz-Josef Jakobi (Hrsg.), Geschichte der Stadt Münster, Aschendorff Verlag, Münster 1993, Band 1, S. 596

Übrigens gehen nicht nur katholische Kinder mit Laternen zum St. Martins-Umzug, auch die evangelischen Kinder machen so etwas – allerdings wird beim protestantischen Laternengang vielleicht eher an die Taufe des Martin Luther gedacht (11. November 1483). Martin Luther ist aber sehr wahrscheinlich, genau wie mein Opa, nach dem Heiligen Martin von Tours benannt worden.

Die Martinsumzüge begleitet oft ein Martin zu Pferde, mit rotem Umhang und römischem Helm, und dabei werden Martinslieder gesungen. Wer noch Martinslieder mit Texten und Gitarrenakkorden braucht, wird z.B. auf den Seiten der Liederkiste fündig: (Klick!)

Ein lustiger Spruch zum Thema:

You know that you are German when
you went with your lantern and
your lantern went with you 😉 

Original St. Martins-LiEd:
„Ich geh mit meiner Laterne
Und meine Laterne mit mir.
Dort oben leuchten die Sterne
Und unten leuchten wir.
Mein Licht ist aus,
Ich geh nach Haus,
Rabimmel, rabammel, rabum.“

Im katholischen Münster wurden zumeist nicht Geburtstage, sondern Namenstage gefeiert, und da es bis heute viele Martins gibt (im Telephonspeicher meines Mobiltelephones stehen derer gleich 5 – phünphe), feiern am Martinstag auch viele Martins und ihre Familien „ihren“ Tag.

Allen Martins und Martinas einen richtig schönen, friedlichen Martinstag, ob mit oder ohne Gans, gönnt euch was, feiert euch selbst!

The Student Hotel Vienna, Innenbeleuchtung an der Bar, Foto: m-ART-je 2020
Foto: m-ART-je

2 Kommentare

  1. Christel Kesper

    Sehr schöner Beitrag

    • Türmerin

      Danke 🙂 Alles Gute!

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