Alle Jahre wieder am Jahresende sehe ich vom Turme aus die schönen Lichter, mit denen Bäume und Gebäude der Stadt Münster geschmückt sind. Licht ins Dunkel bringen, das ist die Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. Adventus Domini, die Ankunft des Herrn, ist immer begleitet von Lichterglanz und Tannenschmuck.
In diesem Jahr ist es trotz Corona ein schöner Anblick – obwohl der Blick auf den Adventsmarkt unten am Lambertikirchplatz heuer ausfällt, weil der Lichtermarkt an St. Lamberti genau wie der Giebelhüüskesmarkt an der Überwasserkirche, der Markt rund ums Rathaus, das Kiepenkerl-Weihnachtsdorf und der Weihnachtsbasar am Aegidiimarkt abgesagt worden sind.
Sicherheit geht vor.
In den 6 vergangenen Jahren, die ich in Münster lebe, liebe und arbeite, leuchtete mir vor allem der Lichtermarkt durch die Adventszeit.
Und jetzt sitze ich hier oben und freue mich über alle Lichter, die mir jetzt Hoffnung geben.
„Wir erweitern in diesem Jahr die traditionelle Weihnachtsbeleuchtung nach dem Breiderschen Lichtkonzept“, erläutert Stadtbaurat Robin Denstorff. „Allein in 50 ausgewählten Bäumen haben die Stadtwerke wieder 11 000 energiesparende LED-Lichter angebracht, die mit Ökostrom für die Beleuchtung sorgen“.
Quelle: Pressemitteilung von Freitag, 20. November 2020, Stadt Münster
Das Breidersche Lichtkonzept
Theo Breider war Verkehrsdirektor in Münster und sein Lichtkonzept mit dem Motto Münster leuchtet ins Land gibt es seit 1954 – diese Tradition der dezenten stimmungsvollen Beleuchtung des Prinzipalmarktes, die einheitliche Werbestrategie der Kaufhäuser mit der güldenen Schrift und der Schmuck unter den Bögen, die Kerzenlichtreihen auf den Fenstersimsen, all dies geht auf ihn zurück.
Ich nehme euch mit auf eine kleine Adventsreise, auf der ich meine Recherchen und Gedanken mit euch teile!
Allez les enfants, on va commencer!
Für diesen Beitrag habe ich eine kleine Umfrage unter meinen älteren Bekannten aus Münster und Umgegend gemacht, in der sie mir verrieten, was sie mit der Adventszeit in Münster und im Münsterland verbinden.
„ALLE JAHRE WIEDER…“
…so klingt es alljährlich zur Weihnachtszeit, Text und Melodie stammen aus dem 19. Jahrhundert (ein Klick! führt euch zur Seite Lieder-Archiv mit Noten und Hintergrundinfos).
Alle Jahre wieder ist darüberhinaus auch der Titel eines Kultfilms von Ulrich Schamoni aus dem Jahr 1967. Erzählt wird eine sehr unterhaltsame Geschichte mit Lokalkolorit – aus Münster! Sehr sehenswert! (Und das wirklich jedes Jahr wieder.)
Zeitreise zu Filmschauplätzen auf Herbst 2021 verschoben
Quelle: Pressemitteilung von Donnerstag, 10. Dezember 2020, Stadt Münster
Neuer Termin für die Ausstellung
„Alle Jahre wieder in Münster: Die Stadt & der Film“
im Stadtmuseum Münster
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Die ursprünglich für Ende November geplante Ausstellung „Alle Jahre wieder in Münster: Die Stadt & der Film“ im Stadtmuseum wird aufgrund der allgemeinen Corona-Lage auf den Herbst 2021 verschoben. Sie nimmt den preisgekrönten Filmklassiker „Alle Jahre wieder“, den Ulrich Schamoni im Winter 1966/67 in Münster drehte, zum Anlass, die Besucherinnen und Besucher auf eine Zeitreise zu den Schauplätzen des Spielfilms einzuladen.
Die multimediale Ausstellung zeigt, wie sich die Stadt in den vergangenen fünf Jahrzehnten verändert hat. Historischen Filmszenen werden neue Fotos gegenübergestellt, die an den einstigen Drehorten aufgenommenen worden sind, und bei denen prominente und weniger prominente Münsteranerinnen und Münsteraner in die Rollen der damaligen Filmstars schlüpfen. Ergänzt werden die „Damals/Heute“-Fotografien um Film- und Tonausschnitte sowie seltene Dokumente und Artefakte.
Die Vernissage steht für den 27. November 2021 im Terminkalender des Stadtmuseums. Die Ausstellung ist eine Koproduktion mit dem Marketing Center Münster der Westfälischen Wilhelms-Universität, dem Studio Tense und dem film club Münster. Das 352-seitige Buch „Alle Jahre wieder in Münster“ ist im Aschendorff-Verlag erschienen und im Shop des Stadtmuseums (dienstags bis samstags von 11 bis 18 Uhr geöffnet) sowie im Buchhandel erhältlich.
Funfact: Ein Bruder des Türmers Roland Mehring (im Dienst auf Lamberti 1960-1994) spielt in dem Film eine Nebenrolle als Museumsführer im Landesmuseum.
„…KOMMT DAS CHRISTUSKIND
AUF DIE ERDE NIEDER,
WO WIR MENSCHEN SIND…“
Wer bringt denn in Münster die Geschenke? Das Christuskind? Oder der Weihnachtsmann? Oder doch der Nikolaus?
Ursprünglich brachte natürlich der Nikolaus die Geschenke, die älteren unter uns erinnern sich vielleicht 😉
Am Tag des Heiligen Nikolaus von Myra, dem 6. Dezember. Er ist Patron der Seefahrer, Kaufleute, Kinder – und: der Jungfrauen! Vielleicht kennt ihr die Legende von den drei armen Schwestern, denen der Nikolaus goldene Kugeln als Aussteuer schenkte und sie so vor der Prostitution bewahrte.
In Münster erinnert ein Gemälde (heute im Stadtmuseum) daran, welches im Stadtwaisenhaus hing. Das Waisenhaus stand am Horsteberg, nahe der Nikolaikapelle; deshalb ist es auch kein Zufall, dass heute eine besondere Skulptur des Nikolaus hier zu finden ist. Und zwar genau dort, wo früher ein Tor an der Immunitätsmauer war, das Nikolaitor, auf der einen Seite bürgerliche Welt, auf der anderen Seite Domherrenwelt. Und rechterhand vom Nikolaus geht es übrigens zum Hotel Busche – einem der Schauplätze des oben erwähnten Kult-Films ALLE JAHRE WIEDER 🙂
Diese Skulptur hat Rudolf Breilmann aus Roxel (†2018) erschaffen, und unter den Vorbeiflanierenden ist es üblich, dass spitze Nase und ebenjene drei Kugeln gerieben werden, weshalb sie gülden glänzen – und Glück bringen! Welche Kunstwerke im Münsteraner Stadtbild noch von Breilmann stammen, könnt ihr bei Henning Stoffers nachlesen, ein bebilderter Stadrundgang, Klick!
Weiterhin wichtige Tradition: Die Ucht
Man ging in Münster früher am Nikolaustag zur Frühmesse – zur „Ucht“ oder „Uchte“. Früher war das zwischen 3 und 5 Uhr morgens, heutzutage etwas später, meist um 6 Uhr.
Dr. Christof Spannhoff erklärt die Ucht auf seinem Blog „Regionalgeschichten des Tecklenburger Landes“: Klick!
Danach gab es lecker Zeug, was es sonst nicht gab (zum Beispiel Stutenkerl statt Graubrot) – und Süßigkeiten-Bescherung für die Kinder (und die Hausangestellten).
Ansonsten galt (noch im 20. Jahrhundert) die Adventszeit als eine besinnliche, stille Zeit, die mit Fasten verbracht wurde.
Hannes Demming erinnert sich, dass es früher üblich war, dass der Nikolaus die Bonbons und Co. durch das Fenster warf – und wohl auch mal jemanden versehentlich am Kopf traf:
„Un üörnswan, nao ’ne halwe Ewigkeit, flaug düör’n Fenster, wat wi med Bedacht haren look staon laoten, en Tuten med Spekulazi, Nüëte, Stärnregenetten un Bömskes in’t Halfdunkel harin. Daobikam et hen un wier auk vüör, dat wel wat an’n Kop kreeg; män de Pien wuor gärne druogen; se kam jä van hillige Hand.“
Quelle: Hannes Demming (wn.de/Plattdeutsch), … de Grauten kriegt’n Klaps vüör’t Gat. Nostalgische Anmutungen 2.0 anlässlich eines alten Festes. Aus der Kolumne Hüöwelspäöne in: Westfälische Nachrichten vom Sa, 5. Dez. 2020
Um eine lange Geschichte kurz zu fassen:
In der Aufbruchsstimmung der Reformationszeit veränderte sich so einiges. So ist überliefert, dass der große Reformator Martin Luther mit seiner Familie nicht dem Nikolaus für seine Gaben dankte, sondern dem Heiligen Christ.
Daraus wurde schließlich das Christkind. Dieses wurde in einigen Gegenden verdrängt vom Weihnachtsmann, der marketingtechnisch dank Coca Cola einen rotweißen Mantel trägt und wiederum dem Nikolaus auf den ersten Blick a bissl ähnelt (ohne Bischofsattribute freilich), und heutzutage gilt kurioserweise ausgerechnet in katholischen Gebieten eher das Christkind als Gabenbringer am Heiligen Abend… auch in Münster – so berichten meine Informant:innen!
Und wie ist es bei euch?
Schreibt es mir gern als Kommentar oder Nachricht!
Die Häuser wurden traditionell immer schon geschmückt, es wurde gebacken und jeder Tag im Advent war etwas Besonderes – der Adventskalender versüßt die Zeit des Wartens auf Heiligabend.
Jeder Tag hat einen Namen
Früher, so erzählen es meine Interviewpartner:innen, da habe jeder Tag einen Namen gehabt und keine Zahl. Was meinen sie damit?
Einige Namen kennen wir ja bis heute (besonders im katholischen Münsterland):
Barbara (4. Dezember) – am Barbaratag schneidet man Obstbaumzweige, stellt sie ins Wasser, und wenn sie an Weihnachten blühen, so bringt dies Glück im neuen (Kirchen-)Jahr. Barbara ist übrigens auch die Patronin der Turmwächter (und Bergleute, aber das ist ja auch viel bekannter)!
Nikolaus (6. Dezember) – wie oben beschrieben. Sowohl Barbaratag als auch Nikolaustag sind auf der Seite des Erzbistums Köln schön erklärt mit weiteren Links: Klick!
Maria (8. Dezember) – die Gottesmutter gilt Katholik:innen als Stern der Hoffnung und Morgenröte des Heils; gefeiert wird an diesem Tag Mariä Empfängnis / Maria Immaculata.
Luzia (13. Dezember) – besonders in Schweden ist Luzia, die Leuchtende, eine Heilige, die mit zahlreichen Ritualen gefeiert wird. Auch im Münsterland beginnt mit ihr die zweite Hälfte des Advent. Bekannt ist das Bild, wie Luzia Kerzen auf dem Kopf trägt, um die Hände frei zu haben und für die Bedürftigen zu sorgen.
Johannes vom Kreuz (14. Dezember) – ein spanischer Karmeliter und Dichter („Geistiger Gesang“, „Dunkle Nacht“). Seine spirituellen Poeme drehen sich um die Höhen und Tiefen im Leben der Menschen – oder wie Heidegger sagen würde: Eigentlich sind wir alle Türmer, denn in jedem Leben geht es auf und ab.
Stephanus (26. Dezember) – das beliebte Ritual, sich am zweiten Weihnachtsfeiertag mit einem Stein in der Tasche mit Freunden (meistens ist es eine männliche Tradition) zu treffen und zu trinken; es fußt auf einer eigentlich schrecklichen Überlieferung: Stephanus soll am 26. Dezember wegen seines Glaubens gesteinigt worden sein.
Das Singen an den Adventssonntagen gibt es seit dem 19. Jahrhundert – und die Nachtwächter haben diese Tradition im Münsterland begründet, indem sie mit Bürger:innen singend durch die Straßen gezogen sind. Das berühmte Gloriasingen in Soest ist heutzutage ein bekannter Brauch am 24. Dezember, der daraus entstanden ist. In diesem Pandemie-Jahr wird das Singen wohl im privaten Rahmen stattfinden. Vom Turm der St. Petrikirche in Soest werden 2020 allein die kräftigen Bläser ihr In Excelsis Deo über die ganze Stadt schallen lassen, so dass man sich’s von Ferne anhören kann (ob das auch in Münster zu hören sein wird?).
Und damit sind wir auch schon bei den Änderungen, die auch in Münster spürbar sind, ein Rudelsingen gab es ja wenigstens virtuell, aber:
… was es hier sonst noch alles (nichtsdestrotz!) zu entdecken und genießen gibt in der coronären Adventszeit, das lest ihr bei Münster Marketing: Klick!
Euch allen weiterhin eine
besinnliche, friedliche Adventszeit,
wir lesen uns!
Eure Türmerin von Münster.
M‘ wärd old äs ’ne Koo un läärt ümmer wier wat drto. Danke!
Das Rezept für einen guten Blogbeitrag ist in der Tat:
Ab und zu ein hübsches Hannes-Demming-Zitat!
🙂
Hallo Türmerin von Münster immer wieder gerne lese ich die Geschichten aus dieser Stadt. Vielen Dank dafür.
Alles Gute
A.stang mannheim
Das freut mich sehr! Turmgrüße nach Mannheim!
Hallo,
ich sitze gemütlich nach dem Frühstück am Küchentisch und lese zum ersten Mal Ihre Website. Abwechslungsreich, mit Bezug zur Stadt, Historisches gemischt mit Aktuellem, interessant, vielseitig, kurzweilig – gut gemacht! Sie machen die Türmerin zur Integrationsfigur für die Bürger. Guter Gedanke!
Was ich noch nicht entdeckt habe, ist eine „Turmpost“, wo eine Auswahl von Fragen und Gedanken der Bürgern an die „Frau, die über den Dächern wohnt,“ zusammen mit Ihren Antworten, wiedergegeben wird. Aber ich fange ja auch gerade erst an, Ihre Seiten zu lesen…
Mich würde z.B. interessieren:
Wie sähe eine autofreie Innenstadt aus der Turmspitze aus?
Fühlen Sie sich vom Restaurant 1648 aus beobachtet?
Wie sieht der Lookdown hier unten betrachtet aus der Isolation der Turmstube aus?
Viele Grüsse an Münsters oberste Frau
-Klaus
Lieber Klaus – herzlichen Dank für Ihre freundlichen Worte und den interessanten Input; „Turmpost“ als Rubrik mit Fragen und Antworten, das gebe ich mal weiter zur Diskussion in der Social Media Runde meines Amtes „Münster Marketing“!
Ihre konkreten Fragen kann ich gerne an dieser Stelle schon beantworten:
Eine autofreie Innenstadt gibt es fast schon – während meiner Arbeitszeit (20:45 Uhr bis. 00:15 Uhr) ist die Friedensstadt Münster erstaunlich friedlich, es dominieren Fußgänger:innen und Leezenfahrer:innen! 😉
Ich schaue jeden Abend mehrfach auf meinen Runden rüber zum „1648“, vielleicht ist’s eher umgekehrt: die Türmerin beobachtet das „1648“ (und die Türmerstube liegt auch noch etwas höher) 😉
Der größte Unterschied zur Vor-Corona-Zeit ist: keine feiernden Student:innen mehr mittwochs und samstags – aber das wird schon wiederkommen, da bin ich optimistisch!
Beste Turmgrüße!
Die Türmerin von Münster