„Türmerin entdeckt Feuer“ schlagzeilte die Zeitung und berichtete, einer Pressemeldung der Feuerwehr Münster folgend, wie ich am Montag, 11. Juli 2016, eine Qualmentwicklung genau beobachtete und den Kollegen meldete, die sich daraufhin aufmachten, um unsere Stadt zu retten – selbstverständlich erfolgreich.
Diesen Anlass möchte ich nutzen, um einen kleinen Exkurs ins Türmerische zu starten…
Türmen für Fortgeschrittene sozusagen – denn nach Feuern Ausschau zu halten und bei solcherlei Gefahr sofort Alarm zu geben, das ist ja seit jeher die Aufgabe europäischer Türmer. In Münster funktioniert dieses System also bis heute. Und bis heute liegt der Fokus der Tätigkeit der Türmer (seit 2014 der Türmerin) auf dem Turm von St. Lamberti genau darin: Ausschau halten, halbstündlich durch ein Hornsignal Bescheid geben (normale, lange Töne = Entwarnung, alles friedlich; kurze, abgehackte Töne = Alarm), je nachdem, wie die aktuelle Situation eben ist. Damit wird eine Tradition fortgeführt, die seit über 630 Jahren bekannt ist.

Türmerin-Foto (Svenja Haas)

Foto: Svenja Haas

Während in anderen Städten mit Türmer*innen der Fokus auf dem Touristischen liegt – Führungen auf Türme, Aussichtsplattformen, Verkauf von Postkarten, trompeten von erbaulichen (Choral-)Melodien etc. -, geht es in Münster seit jeher um die Weiterführung des Türmeramtes auf St. Lamberti und der damit verbundenen Brauchtumspflege. Auch wenn die Stelle im öffentlichen Dienst zu  Münster Marketing gehört.

Der St. Lambertikirchturm hat keine öffentlich zugängliche Aussichtsplattform!
Die Türmerstube wurde (1890 im Zuge des Turmneubaus erneut bekräftigt) seitens des Kirchenvorstands dem jeweiligen städtischen Vertreter der um das Wohl ihrer Bürgerschaft tags und nachts besorgten Stadtverwaltung zur Verfügung gestellt (wie auch der Platz für die städtische Rats- und Brandglocke). Hier wird, unaufgeregt und unbeeindruckt von sonstigen Ereignissen wie Sonntage, Feiertage, Stadtfeste etc. jeden Tag außer Dienstag, Wache gehalten, wie schon im 14. Jahrhundert – und mutmaßlich sogar bereits noch früher. Um nicht mehr, aber auch nicht weniger geht es hier.

Abendhimmel

Abendhimmel über Münster, Foto: Türmerin

Einige Aspekte sind aber z.B. gerade dank Münster Marketing und der Entwicklung der Neuen Medien erst heutzutage möglich. Was meine Vorgänger dabei von mir unterscheidet: Frühere Repräsentanten der Brauchtumspflege (und noch viel früher Turmwächter zu Zeiten der Stadtmauer) hatten nicht die globalen virtuellen Präsenzen zur Verfügung. Das Informieren über die Stadtgeschichte und insbesondere das Informieren über die einzigartige Pflege des traditionellen Türmeramtes zu Münster ist heute auch über das Internet machbar, und so gehören die virtuellen Präsenzen dieses Blogs und der Offiziellen Facebookseite zur Türmerin genau so dazu wie das Horn, der Umhang und die Rats- und Brandglocke.

Türmerin

Foto: Claudia Große-Perdekamp

Journalistische Gäste (die der Kirchenvorstand genehmigt) erhalten die Chance, über die Tätigkeit der Türmerin zu berichten, den Blick aus der Höhe nachzuvollziehen, den schon Generationen vor mir hatten (und zwar vor allem, um den Überblick über Feuer- und Feindesgefahren zu haben – nicht zum reinen Genuss!), und von mir über die kleinen und großen interessanten Dinge unterrichtet zu werden, die die Geschichte der Türmer hier in Münster geprägt haben.

Hält man sich dies alles vor Augen, lege ich dem geneigten Leser und der geneigten Leserin ans Herz, nicht vorschnell zu urteilen und die Türmerin von Münster auch nicht als „Touristenattraktion“ zu sehen: Ich tute ins Horn nicht (allein) zum Zwecke des Vergnügens unserer werten Gäste der Stadt, sondern in erster Linie, um als kleines Rädchen in der reichen Historie Münsters daran mitzuwirken, dass sich der goldene Faden der Türmerei weiter fädeln kann, angefangen 1383 mit der ältesten schriftlichen Überlieferung, mit kleinen Aussetzern zur Inflationszeit (ohne Turmwächter: 1922/23) und während des II. Weltkriegs (ohne Turmwächter: 1942-50); so lange es eben geht.

Paulusdom aus der Sicht von Lamberti

Blick zum St. Paulusdom, Foto: Türmerin

Wenn die Türmerin aber auch heute noch das wachsame Auge der Feuerwehr ist – wie ihre zahllosen  Vorgänger – und warnen kann, bevor ein größerer Schaden entsteht, so bestätigt das doch ganz praktisch die besondere Verwurzelung des Türmeramts in der Geschichte der Turmwächter von St. Lamberti. Und diese macht ja die Bewahrung der Tradition und das Informieren darüber so besonders. 

In diesem Sinne: Glückauf! Das nächste Tuuut kommt bestimmt! 🙂