Ist es nicht wirklich ein Scandal, daß im Mittelpunkt von Münster, einer civilisirten Stadt, der Hauptstadt Westfalens, Carroussels, Mordgeschichten etc. ihr Standplatz gewährt wird, die durch ihr sinnverwirrendes, betäubendes, zwerchfellerschütterndes, bis zum späten Abend andauerndes Orgel-Spielen, Singen u. Lärmen die umwohnenden Bürger zur Verzweiflung treiben, Kranken eine Geißel sind und endlich solche, die den ganzen Tag angestrengt geistig arbeiten müssen, rasend machen?

Quelle: Leserbrief vom 8. März 1883 im Westfälischen Merkur

Diesen Leserbrief eines erkennbar nervlich angespannten Münsteraner Bürgers zitiere ich immer mal wieder gerne, insbesondere dann, wenn wieder Send-Zeit ist!

Vom 21. bis 25. Juni 2018 ist wieder soweit: Sommer-Send in Münster auf dem Schlossplatz. Fünf Tage sinnverwirrendes Orgelspielen, Singen und Lärmen – und ich freue mich darauf.

Seit 1578 verkündet das Sendschwert am Rathaus die Marktgerechtigkeit während des Sends – am 24. Oktober 2000 wurde es geklaut, es ist seitdem nie wieder aufgetaucht (eine Reproduktion des Schwertarms zeigt heute die Sendzeit an) – ob wir jemals erfahren werden, wer der Dieb oder die Diebin war?

Besonders gespannt bin ich auf „La Grande Roue Parisienne“, Europas größtes Riesenrad mit offenen und geschlossenen Gondeln, eine sogar rollstuhltransportfähig, und eine VIP-Gondel mit Sekt gibt es natürlich auch.

Riesenrad auf dem Send

Riesenrad Roue Parisienne

Am 22. Juni 2018 gegen 22:30 Uhr wird das traditionelle Feuerwerk abgeschossen, dann heißt es wieder Obacht! für Münsters Türmerin auf St. Lamberti. Außerdem freue ich mich auf eure schönsten Feuerwerksfotos bei Facebook, Instagram, Flickr und Twitter und so weiter.

http://www.pano-muenster.de/

Foto: Martin Lohoff, http://www.pano-muenster.de/

Eine kleine historische Anekdote im Zusammenhang
mit dem vielzitierten sinnverwirrenden Orgelspiel:

In der oftmals nostalgisch verklärten, prä-elektronischen Zeit der Jahrmärkte, schon am Ende des 19. Jahrhunderts (die Zeit des grantelnden o.g. Leserbriefs!), war es tatsächlich ohrenbetäubend laut – denn die Orgeln waren auf ihrem Verbreitungshöhepunkt angelangt, neben den Dreh-Orgeln auch die Konzertorgeln, angetrieben  durch Kraftmaschinen, sie imitierten lautstark Blasinstrumente und Schlagwerk.

Tatsächlich hatte fast jedes Jahrmarktsgeschäft  seine eigene Orgel; Fahr- und Schaugeschäfte, aber auch Schießstände orgelten allesamt wild durcheinander…

Heutzutage dröhnt allüberall elektronische Musik der Hitparaden
aus den Buden und verwirrt unsere Sinne, und aus der Türmerstube klingt es so:

Aaaaatemloooos auf den Turm – egal, ob Sonne oder Sturm
Aaaaatemloooos, schwindelfrei – großes Tuten, sei dabei
Die 300 Stufen hoch zur Türmerstube, jeden Abend fix: Viertel vor neun
Die 300 Stufen kennen keine Gnade, sowas hält mich fit auf Lambert’s Turm

(Text: m-ART-je; frei gegrölt auf eine Melodei von Helene Fischer)