Ein Baudenkmal, ein Bodendenkmal, ein Gartendenkmal – und die wohl schönste Fahrradstrecke um die Altstadt herum, das ist unsere Promenade in Münster.

Promenade, Foto: Ralf Emmerich

Foto: Ralf Emmerich

Das grüne Band um die Innenstadt sehe ich vom Turme aus ganz deutlich – und das hat durchaus auch historische Bedeutung:

Die Türmer auf St. Lamberti haben seit jeher Ausschau gehalten nach Bränden und Feinden, und die Stadt Münster wurde jahrhundertlang durch eine Befestigungsanlage geschützt, eben an jener Stelle, an der heute die Promenade verläuft.

Wie eine mittelalterliche Stadt samt Befestigungsanlage aussah, kann man heute noch sehr gut z.B. in Nördlingen im Ries nachvollziehen – die dortige Stadtmauer ist begehbar, beinhaltet viele Tore mit Türmen, wenn ihr hinfahrt, grüßt mir bitte die Kollegen vom Daniel  (so heißt der Kirchturm von St. Georg) und die Glückskatze Frau Wendelstein, die im Turm wohnt! Zur Homepage der Daniel-Türmer geht es hier: Klick!

Obacht! Wegen eines Blitzeinschlags ist der Turm in Nördlingen voraussichtlich bis 25. Juni 2018 für Besucher gesperrt, weil die Brandmeldeanlage erst wieder funktionstüchtig sein muss.

In Münster sah es stadtmauermäßig einmal ganz ähnlich aus, wie uns die Vogelschau von Alerdinck zeigt:

Monasterium Westphaliae metropolis - Vogelschauplan

Monasterium Westphaliae metropolis – Alerdincks bekanntestes Werk aus dem Jahr 1636 in der nachkolorierten Fassung – hängt auch in der Türmerstube auf St. Lamberti (St. Lamberti ist hier noch mit dem alten Turm mit Kuppel eingezeichnet, östlich des Domplatzes!)

Wenn es früher innerhalb der münsterschen Stadtmauer gebrannt hatte, läuteten die Türmer auf St. Lamberti die Brandglocke (das Exemplar von 1594 ist im Turm erhalten und klingt heute noch jeweils zur Oberbürgermeistervereidigung, nächster Termin: Herbst 2020!). Brannte es außerhalb der Stadtmauer, gab es eine sogenannte Bauernglocke, die dann geläutet wurde (sie ist leider nicht erhalten).

Wie kam es aber dazu, dass aus der dicken Befestigung samt Gräben
unsere heutige Leezen-Rennstrecke, Fußgängerwandeldoppelallee
und Freiluftflohmarktfläche wurde?

Die Idee einer repräsentativen Doppelallee hatte der Barockbaumeister Johann Conrad Schlaun im Auftrag des Ministers Franz von Fürstenberg; und 1764 wurde schon mal die Zitadelle niedergerissen – wo heute das Schloss steht, bei Alerdinck nicht eingezeichnet.
Die Entwicklung und der Ausbau der Flächen an der Promenade sollte dann noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts andauern.

Geschleift werden sollte die Befestigung, als sich im 7jährigen Krieg gezeigt hatte, dass ein Schutz gar nicht mehr vollständig möglich war – 1756-1763 dauert dieser Krieg, und durch Kugeln und Bomben stand das Martiniviertel in Flammen und wurde böse zerstört. Deshalb fragte man sich: Befestigungswall, quo vadis?

Promenade heißt nichts anderes als Spazierweg. Und als solcher wurde nach dem Schleifen der äußere Wall mit dem äußeren Graben angelegt. Der Bereich der inneren Mauer mit innerem Graben wurde an die anliegenden Grundstückseigner zurückgegeben.

Durch den geschlossenen Grüngürtel ist Münster nicht nur unverwechselbar, sondern man erkennt daran bis heute den mittelalterlichen Stadtgrundriss. Die Geschichte der Promenade wird auch auf den Seiten des Vermessungs- und Katasteramts beschrieben (Klick!) – übrigens eine phänomenale Quelle zu Hintergrundfakten von Straßennamen.

Veränderungen gab es natürlich im Laufe der Jahre trotzdem; Kriege und Geldmangel setzten andere Prioritäten als Blumenrabatten, Linden und Grünflächen. Und als die Wirtschaft wieder gedieh, suchten Stadtplaner nach Flächen – deshalb büßte das grüne Band in den 1960er und 1970er Jahren ein bisschen an Fläche ein, deutlich zu sehen an der Engelenschanze, am Aegidiitor, Servatiiplatz, Neutor und Kastellgraben. Trotzdem blieb die Promenade geschlossen und wurde gepflegt, auch als die Stadt durch die äußeren Stadtteile anwuchs.

1986 gab es dann ein umfangreiches Erneuerungskonzept des Amtes für Grünflächen und Naturschutz in Abstimmung mit den Denkmalpflegebehörden: Unter anderem wurde der Baumbestand revitalisiert.

Liebe Stadt im Lindenkranze, roter Erde schönste Zier,
pflanz auf Deiner höchsten Schanze auf das stolze Stadtpanier;
blüht ihr Linden, glänzt, ihr Türme, hoffnungsheischend himmelwärts;
jung blieb, Münster, trotz der Stürme, noch Dein Wiedertäuferherz.

(Münsterlied, Verfasser unbekannt,
auf die Melodie von „Heidelberg, du Jugendbronnen“ von Otto Lob, 1899)

Außerdem wurden versiegelte Flächen wieder der Natur zurückgegeben, PKW-Parkplätze zurückgebaut, neue Sitzplätze und Pflanzungen und Ziergitter errichtet. 

Damit wurde die Promenade wieder das, was sie heute noch für uns ist: ein wunderschönes, vielseitiges Schmuckstück – und das auch noch komplett autofrei (es sei denn, ein*e Auswärtige*r verfährt sich)!

Rekord: An Spitzentagen werden heuer in Höhe Mauritztor 23.000 Radfahrende gezählt! Und die Verkehrsbedeutung der Promenade wird künftig noch mehr zunehmen, da sie den Ausgangs- bzw. Endpunkt aller 13 Velorouten bildet, die Münsters Innenstadt mit den Außenstadtteilen und den Umlandgemeinden verbinden werden – klimafreundliche Mobilität ist ja immer eine feine Sache.

Vom Schlossplatz in Richtung Aasee findet hier fünfmal im Jahr der große Flohmarkt statt – Klick! 

Eine tragische Geschichte: 

Gartenbaudirektor Hermann Max Faulwetter, geboren 1885, zuständig für die Pflege der städtischen Grünanlagen und Gärten zu Münster (er wählte die Silberlinden als Nachfolge nach dem großen Ulmensterben), nahm sich wegen großer Repressalien der Nazis ihm gegenüber im Jahr 1933 das Leben.

Während zumeist berichtet worden war, dass in der Zeit um 1933 die Promenade wieder schön aufgehübscht worden wäre, gab es jedoch in Wirklichkeit grotesk anmutende Befehle, z.B. die Palmen in der Orangerie erfrieren zu lassen (der Heizer sollte das Heizen „vergessen“), denn Palmen waren nicht heimisch, nicht deutsch, und sollten nicht das Grünanlagenbild verfälschen. Dabei waren diese Phönixpalmen im Jahr 1919 wertvolle Geschenke des Grafen von Nordkirchen gewesen…

(siehe dazu: Info-Broschüre der Stadt Münster, Promenade Münster. Der grüne Ring um die Altstadt. Amt für Grünflächen und Naturschutz, 1990)

Faulwetter hatte auch in Sendenhorst als Stadtobergärtner erfolgreich gewirkt. 

Und während des Ersten Weltkrieges erzählt die Schulte’sche Kriegschronik:
In einer Versammlung des Vereins selbständiger Gärtner legte der städtische Gartenbauinspektor Faulwetter eindringlich dar, wie ungemein notwendig es im Interesse unseres Vaterlandes sei, daß der Gärtnereibetrieb sich ausschließlich auf die Erzeugung von Nahrungsmitteln einstelle; die städtischen Anlagen würden im kommenden Jahr nur das Notwendigste an Schmuck erhalten können.‘ (zur Kriegschronik: Klick!)

Bohnenpflanzen

Gartenbauinspektor Hermann Max Faulwetter 1917 (Quelle: Stadtarchiv Münster, Fotosammlung Nr. 3641)


Ein paar der Sehenswürdigkeiten entlang der Promenade möchte ich euch hier vorstellen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, schließlich entdeckt man beim Lustwandeln oder Radeln auch immer noch etwas neues. Ich bewege mich hier authentisch entlang meiner ca. 5 km langen Joggingstrecke:

  • Das Schloss – Alters-Werk von Schlaun, gedacht als Fürstbischöfliche Residenz, vollendet von Lipper. Ein Bischof wohnte jedoch nie hier. Heute Verwaltung der Westfälischen Wilhelms-Universität. Die ganze Geschichte mit Bildern bei Henning Stoffers: Klick!

    www.sto-ms.de

    Foto: F. Hundt (um 1870) – www.sto-ms.de

  • Der Schlossplatz – vormals Hindenburgplatz, davor Neuplatz genannt, einer der größten europäischen Stadtplätze, Parkplatz und Veranstaltungsort für Großereignisse wie Zirkus, Send, Flohmarkt

    Schnappschuss vom Feuerwerk

    Send Feuerwerk (Schnappschuss: mARTje)

  • Das Neutor – zwei frühklassizistische Wachhäuschen links und rechts der Straße, von Lipper um 1778 erbaut, sie sollten den Zugang zur Stadt kontrollieren, seit 2004 ist der Stadtheimatbund Mieter des nordöstlichen Torhäuschens

    www.nrw-stiftung.de

    Torhäuschen am Neutor vor der Renovierung – www.nrw-stiftung.de

  • Der Wasserbär – diente im äußeren Wallgraben der Wasserhaltung und dem Schutz der mittelalterlichen Stadt

    Wasserbär Foto: Dietmar Rabich

    Wasserbär, Foto: Dietmar Rabich / Wikimedia Commons / Münster, Alter Zoo, Wasserbär -2017 -1980” / CC BY-SA 4.0

  • Der Uhu – eine Skulptur auf hohem Sockel mit Vogeltränke von Arnold Schlick von 1962 an der Kreuzschanz in der Nähe des Buddenturms, vorher stand hier ein Denkmal des Ornithologen und Zoologen Bernard Altum (1931-1990), das im Zweiten Weltkrieg leider zerstört worden ist

    https://www.stadt-muenster.de/ms/strassennamen/altumstrasse.html

    Uhu für Bernard Altum – https://www.stadt-muenster.de/ms/strassennamen/altumstrasse.html

  • Die Annette-Büste – 1896 von Anton Rüller geschaffenes Denkmal für Annette von Droste-Hülshoff zum 100. Geburtstag, stand erst am Kanonengraben, heute an der Kreuzschanze am sogenannten Liebeshügel

    Annette aus Marmor

    Annette-Büste, Anton Rüller 1896

  • Der Liebeshügel – ca. ab 1930 Schwulentreffpunkt bzw. bis in die 1960er Jahre hinein auch von heterosexuellen Liebespärchen frequentierter Hügel an der Kreuzschanze
  • Die Grimm-Büste – 1905 errichtetes Marmordenkmal von Anton Rüller für Julius Otto Grimm, den Musiker und Komponisten, mehr dazu bei Martin Tews auf dem tollen Blog Denk‘ mal europäisch in Münster: Klick!
  • Der Buddenturm – einziger erhaltener Rundturm der mittelalterlichen Stadtbefestigung, seit mindestens 1150, später Gefängnis, auch Wasserturm

    Buddenturm, Foto: mARTje

    Buddenturm, Foto: mARTje

  • Die Trümmerlok – historische Kleinlokomotive, mit der die Trümmer der Stadt nach 1945 auch durch die Promenade bis zum Schlossplatz gebracht worden sind

    Trümmerlok

    Trümmerlok, Foto: Didi43, Wikicommons CC-BY-SA-4.0

  • Der Coerdeplatz – ehemalige Schanzanlage, jetzt Kinderspielplatz mit Spiel-Flugzeug und Schnullerbaum  (nicht mehr benötigte Schnuller werden mit dem Hubsteiger dort aufgehängt)
  • Der Zwinger – mittelalterliches Befestigungsbauwerk von 1536, von Schlaun als Gefängnis umgebaut, später Maleratelier, dann Kulturheim der Hitlerjugend, Hinrichtungsstätte der Gestapo, im Rahmen der Skulptur Projekte Münster 1987 installierte die Künstlerin Rebecca Horn im Inneren „Das gegenläufige Konzert“, nach Restaurierung des Zwingers und Überarbeitung des Kunstwerks wurde die Ruine 1997 zu einem Mahnmal für die Opfer der Gewalt, Besichtigungen über das Stadtmuseum Münster (Klick!)
  • Das Mauritz-Torhäuschen – klassizistisches Bauwerk, das gegenüberliegende Gegenstück wurde nach 1945 entfernt, an der Unterführung gelegen, heute Kaffee, Brot und Wein bei hunderteins (Klick!)
  • Der Servatii-Platz – ehemalige Schanzanlage, das zugehörige Tor wurde um 1770 abgebrochen, zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand hier ein Springbrunnen, heute steht hier eine Skulptur des Antifaschisten und Opfers der Zwangssterilisationen der Nazis: Paul Wulf, mehr dazu hier, Klick!
  • Die Synagoge – Neubau von 1961, die alte Synagoge wurde 1938 von den Nazis in Brand gesetzt, heute steht an der Promenade oft die Polizei, da das Gebäude leider wieder aufmerksam geschützt werden muss

    Synagoge

    Synagoge Münster von der Promenade aus gesehen

  • Die Engelenschanze – ehemalige Schanzanlage, dann barocke Gartenanlage, Ende des 19. Jahrhunderts stand hier ein Herrenhaus, das ua. von den Clemensschwestern bewohnt wurde, im Zweiten Weltkrieg beschädigt, nach dem Krieg durch Verkehrsbau stark verändert, Grünfläche in den 1960ern angelegt, hier steht eine große schöne Blutbuche, ein Naturdenkmal; außerdem steht auf der Wiese die Rickey-Skulptur Drei rotierende Quadrate: Klick!
  • Der Ludgeriplatz – ehemalige Schanzanlage, das zugehörige Tor wurde um 1785 abgebrochen, als Grünanlage seit 1876, dann Kreisverkehr 1936, Standort der Skulpturen Ochs und Pferd als symbolische Verbindung von Land und Stadt
  • Der Aasee – ein kurzer Blick beim Laufen auf den Aasee; er wurde 1926 als Hochwasserschutz und Parkanlage angelegt. Berühmt: Die drei Kugeln („Giant Pool Balls“ von Claes Oldenburg, Skulptur Projekte 1977). Mehr zum „aaseepark“ bei der Agentur pars pro toto: Klick!
  • Die Westerholtsche Wiese – Blick auf das letzterhaltene Stück der inneren Stadtmauer, Figurenhecke, bis vor einiger Zeit wurde das „Turnier der Sieger“ hier durchgeführt (heute auf dem Schlossplatz)
  • Das Stadtbad Mitte – Münsters erste „Bade- und Waschanstalt“ (erbaut 1889). Älteren Münsteranern als „Zoobad“ bekannt (in Anlehnung an den nahe gelegenen alten Zoo). Erstmals renoviert und wiedereröffnet 1956. 1998 stand die 2. Renovierung an mit der Sanierung des unter Denkmalschutz stehenden Altbaus und einem verglasten Neubau.
  • Der Alte Zoo – von Prof. Landois 1875 gegründet, 1973 geschlossen und umgezogen. Die LBS hat dann hier ein krasses weißes Gebäude gebaut, der Rest sind Grünanlage und Reminiszenzen an vergangene Zeiten, z.B. der Eulenturm und ein Wasserbär. Das ehemalige Naturkundemuseum ist heute die Westfälische Schule für Musik. 
  • Die Tuckesburg – hier wohnte Prof. Landois. Hier hatte er die Nachbauten der Täuferkörbe aufgehängt und mit Puppen bestückt – er erzählte gerne, das seien die Originale von 1536, das ist aber grober Unfug. 

    Tuckesburg

    Tuckesburg im Sommer, Foto: mARTje

  •  Der Kastellgraben – das ist der Graben der Stadtbefestigung an der Zitadelle des Fürstbischof Bernhard von Galen („Bomben-Bernd“), heute parallel zur Hüfferstraße.
  • Der Schlossgarten – zunächst im Stile des Klassizismus bepflanzt,  1854 zu einer Anlage in Gestalt eines Englischen Gartens neu angelegt – in seiner Form bis heute in etwa erhalten. Schon früh (1786) für Spaziergänger freigegeben. Sehr alter Baumbestand. Inmitten des Schlossgartens liegt derBotanische Garten (1803 angelegt vom Freiherrn vom Stein). Immer einen Besuch wert ist auch das Schlossgartencafé (Klick!) – historische Kulisse!

    https://www.schlossgarten.com/

    Schlossgartencafé – www.schlossgarten.com

Nicht erwähnt habe ich hier die zahlreichen Kriegerdenkmäler entlang der Promenade und hinterm Schloss – aber auch die sind eine genauere Betrachtung wert, siehe dazu meinen Artikel Turmstubenbücher des Monats Juni 2018, Klick!