Hoch zu den Wolken empor heben mächtige Türme die Helme,
Und ein melodisch Geläut klingt von den Glocken herab.
Schau! Drei Wiedertäuferkäfige hängen da droben!
Und die Gebeine noch selbst büßen die furchtbare Schuld...
Diese Zeilen schrieb einst (auf Latein) der unvergleichliche Fabio Chigi (der spätere Papst Alexander VII.), dessen Portrait uns aus dem Friedenssaal im Historischen Rathaus so bekannt ist, und der einst als päpstlicher Gesandter die Belange der katholischen Kirche und des Vatikans in den Verhandlungen um den Westfälischen Frieden vertreten sollte… (Anmerkung: Der Friedenssaal ist zu besichtigen, gerade in diesen Zeiten ein berührendes Erlebnis, wenn man dort hört, wie ein fürchterlicher und langer Krieg durch Verhandlungen und einen Friedensvertrag beendet worden ist!)
In seinen Gedichten, die er während seiner Zeit in Münster verfasste, klagt Fabio Chigi – natürlich, so will es das Klischee! – über den ständig triefenden Regen und über das fürchterlich unbekömmliche Schwarzbrot – „Pompernickel genannt beim Volke in Westfalen“.
Diese „Wiedertäufer“-Körbe hingen 1648 bei Bekanntgabe der Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück, die den 30jährigen Krieg beendeten natürlich (immer noch) am Turm von St. Lamberti. So wie sie auch heute (2022) noch bzw. wieder hier hängen. Wieder, weil der Turm im 19. Jahrhundert wegen Baufälligkeit abgebrochen und neu errichtet worden war.
Aber die Täuferkörbe sind hier nach wie vor die Originale von 1536, als den Leichen von Jan von Leiden (dem selbstgekrönten König), Bernd Knipperdolling und Bernd Krechting (der für seinen entkommenen Bruder Heinrich büßen musste) nach vorhergegangener widerlicher Folter dieser drei auf dem Prinzipalmarkt ein christliches Begräbnis verwehrt worden war.
Warum, das werde ich oft gefragt, war die Hochburg der sogenannten „Wiedertäufer“ (Niederländisch: Wederdopers) ausgerechnet das katholische tiefschwarze Münster?
In Fritz Brümmers „Unglaublicher Stadtgeschichte“ – fantastisch gezeichnet! – wird es so auf den Punkt gebracht:
Einmal war am so großen wie kurzen Erfolg der täuferischen Reformationsbestrebungen das ungeschickte Taktieren der Bischöfe schuld, außerdem die schillernden Persönlichkeiten, mit denen dieses dunkle Kapitel der Stadtgeschichte seinen Lauf nahm:
Bernd Knipperdolling
Er war Tuchhändler, ein Fernkaufmann mit Haus am Prinzipalmarkt, und sehr um sein Seelenheil besorgt. Daher umarmte er jederzeit äußerst eifrig die neueste Mode, die versprach, dass er in den Himmel kommen würde. Also auch die religiös-sozialkritische Bewegung, zu der sich die bereits getauften Erwachsenen erneut durch Taufe bekannten.
Bernd Rothmann
Doktor der Theologie, hat in Münster studiert, hatte die Predigerstelle in St. Mauritz (damals vor den Toren der Stadt) inne. Er reiste nach Wittenberg und in die Schweiz, lernte Luther und Zwingli kennen, und wurde nach seiner Rückkehr in Münster ebenfalls zum Reformator aus Überzeugung. Stets trug er Brot für das Abendmahl bei sich, daher sein Spottname „Stutenbernd“.
1532 soll er vor der Lambertikirche so wortgewaltig gepredigt haben (hinein hatten sie ihn nicht gelassen), dass er alle Bürger, die ihn hörten, auf der Stelle überzeugte, zum „neuen“ Glauben überzutreten und sich erneut taufen zu lassen.
Ja, dies waren die Anfänge dieses Kapitels, das nur kurz andauern sollte, friedlich und mit großen Zielen der gesamtgesellschaftlichen Reformation begann, dann durch dramatische Ereignisse immer fanatischer wurde und schließlich als Endzeit-Visionen-Sekte völlig eskalierte, bis Fürstbischof Franz von Waldeck durch Verrat die Stadt Münster wiedereinnehmen konnte, woraufhin ein Schauprozess gegen die eingangs genannten geführt und schlussendlich drei Leichen in den eisernen Körben im Kirchturm emporgezogen wurden.
Nicht wenige Menschen sind übrigens verwundert, dass es wirklich die Originale sind, die heute noch dort hängen, und dass die drei Unglückseligen tatsächlich bereits vorher zu Tode gefoltert worden waren. Erst kürzlich hörte ich im Vorbeigehen wieder einen Vater zu seinen Kindern sagen:
Woraufhin eine Passantin, die dies ebenfalls hörte, sich umdrehte und laut sagte:
Das stimmt natürlich ebensowenig, war in der Situation aber durchaus witzig, ich empfehle trotzdem:
Im Zweifelsfall mal mit oder ohne Kinder ins Stadtmuseum (Salzstraße) gehen, der Eintritt ist frei, und die Täufergeschichte mit allem Zipp und Zapp super erklärt – inklusive der nachgebauten Täuferkörbe, die nach dem Museumsbesuch wirklich niemand mehr für die Originale halten wird!
Glückauf! sagt eure Türmerin von Münster.
Liebe Türmerin,
es ist immer wieder schön deinen Blog zu lesen. Auch dieser. Ich denke Münster und die Täufer ist ein Lehrstück. Denn es stellt sich die Frage, wo ist der Kippunkt zwischen einer charistmatischen Führungung und der Ver-Führung zur Irrlehre. Nur daraus ließe sich ablesen, wie derartige Fehlentwicklungen besser verhindert werden könnten.
Liebe Frau Thalmann, vielen Dank für den Hinweis auf die gezeichnete Stadtgeschichte meines Vaters! Ich schätze, dass sich Fritz Brümmer über das Lob „von höchster Stelle“ sehr gefreut hätte. Beste Grüße aus Münster nach Münster Felix Brümmer
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung, Herr Brümmer, ich bin richtig fasziniert von den gezeichneten Werken Ihres Vaters. Alles Gute wünscht Ihnen aus Münsters höchstem Büro der Innenstadt
Ihre Türmerin von Münster
Lieber Herr Wick, das stimmt, und offenbar sind die Kipppunkte individuell verschieden angelegt bei der Spezies Mensch, ich hoffe auf und tute für eine friedlichere Welt! Ihre Türmerin von Münster