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Ein wertvoller Augenzeuge (1648)

Wer in Münster lebt, arbeitet oder als Gast weilt, wird wissen oder erfahren: Münster ist eine Kongressstadt. Das Motto „Erfolgreich tagen – seit 1648“ spielt auf humorvolle Art auf den wohl bekanntesten Kongress Europas an, der in den Westfälischen Frieden mündete. Der 30jährige Krieg fand damit endlich ein Ende, und dass wir heutzutage ein ganz bestimmtes Bild von diesem großartigen (und ungewöhnlichen!) Friedensschluss vor Augen haben, das haben wir maßgeblich einem wichtigen Augenzeugen zu verdanken…

Eine kleine Vorgeschichte

Eine in Münster verhandelnde Partei in der europäischen Gemengelage des 30jährigen Krieges waren die Niederlande. Ihr Ziel: Die Unabhängigkeit von Spanien nach sogar 80 Jahren Krieg. Ziel Spaniens: Die Herauslösung der nördlichen Niederlande aus dem französischen Bündnissystem. Also reiste der niederländische diplomatische Gesandte Adriaan Pauw nach Münster, später wurde er auch Verhandlungsführer. Natürlich reiste Adriaan Pauw nicht alleine – seine Entourage zu Pferd und Kutsche kennen wir auch:

Gemälde von Gerard ter Borch: Einzug des Gesandten Adriaen Pauw in Münster, 1646.
Intocht van de gezant Adriaan Pauw in Münster, ca. 1646, zu sehen im Stadtmuseum Münster

Wir kennen diese Szene durch den Maler und Zeichner Gerard ter Borch, der von Adriaan Pauw eingeladen worden war, mitzureisen – mit dem Auftrag, malerisch zu dokumentieren.

Wer ist Gerard ter Borch?

Gerard ter Borch (1617-1681) – sein Name verweist auf die Herkunft der Familie aus Terborg, einer Stadt im alten Herzogtum Gelderland. Da sein Vater (ebenfalls Maler) auch Gerard heißt, wird Gerard Junior oft mit dem Zusatz „Der Jüngere“ genannt.

Selbstporträt von Gerard ter Borch, dem Jüngeren
Zelfportret Gerard ter Borch, zu sehen im Mauritshuis, Den Haag

Er reist viel – in Haarlem lernt er beim Landschaftsmaler Pieter de Molyn, weitere Stationen sind London, Italien, Spanien – und macht sich einen Namen als Porträtist. Dank seiner Bekanntheit wird er dann von ebenjenem Diplomaten Adriaan Pauw engagiert, diesen nach Münster für die Friedensverhandlungen zu begleiten.

Gerard der Jüngere in Münster

Ter Borch malt also das Bild von Einzug Pauws in die Stadt sowie mehrere kleinformatige Porträts der an den Verhandlungen beteiligten Diplomaten, unter anderem von Don Gaspar de Bracamanonte, Conde de Peñaranda, der Gerard den Jüngeren später als Hofmaler in seine Dienste nahm und ihm in Folge Aufträge in Spanien vermittelte… aber bleiben wir zunächst in Münster.

Als am 15. Mai 1648 der engagiert verhandelte Beschluss der Parteien Holland und Spanien unterzeichnet wird, ist Gerard ter Borch der Jüngere persönlich mit dabei – und hält diesen feierlichen Moment malerisch fest.

Der Friede von Münster

Friede von Münster, Gemälde von Gerard ter Borch
De eedaflegging van de Vrede van Munster in 1648, zu sehen im Reichsmuseum, Amsterdam

Erkennt ihr unseren wertvollen Augenzeugen in diesem Gemälde? Er steht ganz links und blickt uns direkt an, bekräftigt damit quasi sein eigenes Augenzeugentum höchstselbst!

Das Bild geht als „Der Friede von Münster“ oder niederländisch: „Vrede van Munster“ in die Geschichte und das kollektive Gedächtnis ein. Wer heute den Friedenssaal im Historischen Rathaus zu Münster besichtigt, kann ihn direkt vergleichen mit diesem weit bekannten Gemälde: Die Holzvertäfelung hat Gerard der Jüngere sehr fein getroffen!

Das müsst ihr wissen!

Diese für die Nachwelt festgehaltene Szene zeigt den niederländisch-spanischen Teilfrieden-Aspekt des großen Westfälischen Friedens, der später (am 24. Oktober 1648) geschlossen und durch Friedensreiter in alle Richtungen verkündet worden ist. Da aber bedauerlicherweise keine weiteren Gemälde existieren, die uns heute Einblick geben könnten in die damaligen Verhandlungen und Beschlüsse, steht dieses eine Gemälde des Gerard ter Borch dem Jüngeren symbolisch für das große Ganze, welches im Jahr 2023, in dem ich diesen Text schreibe, 375. Friedensjubiläum feiert!


Wer es in diesem Friedensjubiläumsjahr 2023 schafft, nach Münster zu reisen, kann sich gerne bei meinen Kolleginnen und Kollegen von der Münster Information im Historischen Rathaus oder im Stadthaus 1 Infos und gute Ratschläge für Veranstaltungen rund um den Westfälischen Frieden abholen. Oder ihr fragt mich – ein Kommentar auf diesen Beitrag oder eine Nachricht über das Kontaktformular erreicht mich direkt auf dem Turm von St. Lamberti mit Aussicht auf die Dächer der Friedensstadt!

Friedvolle Grüße, eure Türmerin von Münster.

Foto der Türmerin von Münster von Angelika Klauser
Foto: Angelika Klauser, Presseamt Stadt Münster

2 Kommentare

  1. Klaus Haßelberg

    Bemerkenswertes Detail beim „Einzug der Gesandten“:

    Das Münstersche Wappen links am Baum – Ortseingangsschilder der heutigen Art gab es ja noch nicht !

    • Türmerin

      So ist es! Es macht einen riesigen Spaß, diese Details auf den Bildern zu entdecken!

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