Da die Karnevalszeit wieder direkt vor der Tür steht, anklopft und endlich reingelassen werden will, habe ich etwas besonders Schönes für Freundinnen und Freunde der unterhaltsamen Geschichte – sprich: Historytainment! – vorbereitet!

Wir folgen dem Anfang der Rosenmontagsumzüge in Münster und klären, welcher Karnevalist es bis ganz nach oben geschafft hat (auf den Turm von St. Lamberti) und wer zwischendurch noch fröhlich sang…

Ganz Münster ist ein Freudenthal

Im Münsterischen Anzeiger aus dem Jahre 1932 lesen wir in Frakturschrift, hier für euch von mir transkribiert wiedergegeben:


Neubau von St. Lamberti

1896, beim allerersten größeren Rosenmontagsumzug in Münster, war der Turm von St. Lamberti noch nicht ganz fertig – erst zwei Jahre später! Zu diesem Zeitpunkt harrte der damalige Türmer Joseph Sirleke genannt Buschkötter noch im St. Martini-Turm aus, bis der spitze neue Turm von St. Lamberti endlich seine Kreuzblume bekam. Der Sandstein war zunächst noch sehr hell – nicht so dunkel, wie wir St. Lamberti heute kennen:

Neubau Lambertikirchturm 1898er ff.
Foto: LWL-Medienarchiv, Blick vom Domplatz aus, der Lambertikirchturm ist noch als Neubau erkennbar an der sehr hellen Färbung.

Ständchen für Lehrer und Backfische

Weiter erfahren wir im Münsterischen Anzeiger von 1932, welche Brauchtümer und Rituale rund um Karneval zu dieser frühen Zeit der Jahrhundertwende so beliebt waren:


Mordkreuz

Henning Stoffers hat diese Version übrigens aufgrund seiner Recherchen infrage gestellt. Er schreibt zum „Mordkreuz“ folgendes:


Mordgeschichten und Küsse

Zurück aber zu den Gepflogenheiten der Karnevalszeit in früheren Jahren, zurück zum Münsterischen Anzeiger 1932:

Und weiter erfahren wir:


Pinkus I.

Und wer war 1932 der Prinz Karneval? Kein Geringerer als Pinkus, der Erste! Und zwar schon zum dritten Mal in Folge! Wie aus Carl Müller der einzigartige Gastwirt, Tenorsänger und Träger des Spitznamens Pinkus wurde, könnt ihr ebenfalls bei Henning Stoffers nachlesen: Henning Stoffers, Bildgeschichten… (Klick)

Prinz Pinkus I. jedenfalls war Mitglied der Karnevalsgesellschaft „Freudenthal“ und sang mit seiner schönen Tenorstimme auf vielen Veranstaltungen. Hier eine Zeitungsannonce von 1932:

Großer Maskenball, Sonntag, 7. Februar 1932 abends 20 Uhr im Schützenhof. Prinz Karneval Pinkus I. kommt u. singt!

Franz Beiske

Und in eben jenem Jahr 1932, von dem ich berichte, mitten in der schönen geselligen Karnevalszeit, gab es die Uraufführung eines niederdeutschen Theaterstücks, geschrieben von Franz Beiske. Doch um diese Umstände so richtig würdigen zu können, möchte ich ein wenig ausholen und euch abermals mitnehmen in meine Recherchen:

Der als Heimatschriftsteller bekannt gewordene Franz Beiske wurde am 25. Mai 1906 in Walstedde (Drensteinfurt) geboren, aufgewachsen ist er in Münster-Gremmendorf. Er war gelernter Bühnenbauer und Anstreichermeister.

1932 also war er bereits seit vielen Jahren aktiv beteiligt bei den Laienschauspielern der niederdeutschen Theatertruppe aus seiner Heimat Gremmendorf, schrieb schon während seiner Jugendzeit plattdeutsche Gedichte, die er auch öffentlich vortrug. Seine Familie hatte eine auf Milchvieh ausgerichtete Landwirtschaft, aber daran hatte Franz Beiske kein Interesse, seine Lehre machte er bezeichnenderweise bei einem Kirchen- und Bühnenmaler. Später schrieb er dann das sehr erfolgreiche Stück namens „De Pängelanton“ (1932!), das mitten in der Karnevalszeit uraufgeführt wurde – daraus ergab sich die Gründung der gleichnamigen Karnevalsgesellschaft „Pängelanton“, die bis heute besteht.

Mit „Pängelanton“ wurden mundartlich die Dampflokzüge der Westfälischen Landes-Eisenbahn bezeichnet. „Pängeln“ heißt soviel wie „bimmeln“ – das Geräusch, das die Dampflok bei jedem Bahnübergang machte, um die Durchfahrt zu verkünden.

Die lustigen Aufführungen der Gremmendorfer Niederdeutschen Bühne wurden leider wie alles andere durch den Zweiten Weltkrieg vorübergehend beendet; doch schon 1951 schaffte es Franz Beiske, einige seiner ehemaligen Laienspielkollegen zu motivieren, weiterzumachen, und er schrieb neue Theaterstücke, verkörperte unter Anderem den Kiepenkerl und den Tollen Bomberg – echte Münstersche Originale, wie auch er selbst dann eines werden wollte:

Franz Beiske als Türmer

Beiske war 52 Jahre alt, als er Türmer wurde. Leider war er gesundheitlich nicht in der Lage, diesen schönen Beruf für längere Zeit auszuüben – jedenfalls begann er am 1. Mai 1958 als Türmer und bereits im Februar 1960 musste Vorgänger Karl Greuling (mehr zu Karl hier, Klick!) übergangsweise wieder das Horn übernehmen, bis am 1. Oktober 1960 Roland Mehring (mehr zu Roland hier, Klick!) für die nächsten 34 Jahre auf dem Lambertikirchturm beschäftigt war.

Franz Beiske, der Zeit seines Lebens Traditionen gelebt und Brauchtum gepflegt hat, verstarb mit nur 54 Jahren am 25. Juni 1960.

Auf dem Sterbebett im St. Franziskushospital soll er zum Pfarrer gesagt haben: „No goh ick nich aff und wenn, dann sinn hier in Huse so viell Lü, de mi de Hufiesen affrieten künnt“, so steht es in einem Memorandum seiner Karnevalsgesellschaft aus den 1980er Jahren. 

Seinen besonderen Humor hat er sich also bis ganz zum Schluss bewahrt.

Todesanzeige Franz Beiske

Und so gedenke ich jedes Jahr in der Karnevalszeit meines Vorgängers Franz und stelle mir vor, wie er hier oben in der Turmstube gesessen und seine Erlebnisse Revue passieren gelassen hat.
Ich wünsche allen, denen das Brauchtum Karneval etwas bedeutet, eine gute Zeit! Munter bleiben! 

Eure Türmerin von Münster.


Prinz Ingo auf dem Turm, 2017
Prinz Ingo I. trägt sich ins Turm-Gästebuch ein (Februar 2017)

Weiterführende Quellen:
Recherche Online zu Zeitungen wie dem Münsterschen Anzeiger, Klick!

Zur Geschichte der Karnevalsgesellschaft Freudenthal geht’s hier: Klick!

Zum Bürgerausschuss Münsterschen Karneval geht’s hier: Klick!