Am 20. September 2019 haben in Münster über 20.000 Menschen für den Klimaschutz demonstriert. Gleichzeitig war PARK(ing) Day. Diese vielen friedlichen Aktiven wären bestimmt ein toller Anblick vom Turm der Lambertikirche aus gewesen – allerdings fand die Großdemo natürlich außerhalb meiner Dienstzeit statt, damit ich als Privatperson und Musikerin (Klick!) mitten drin sein konnte!
Auf der Seite von Fridays for Future Münster kann man spektakuläre Drohnen-Aufnahmen (mit St. Lamberti!) sehen (Klick!).

Spektakuläre Ausblicke habt ihr jetzt auch vom Stadthaus 1 aus: Das Restaurant „1648“ (nach dem Westfälischen Friedensschluss) in den obersten Etagen ist fertiggestellt (Klick!)! Nicht ganz auf Augenhöhe mit der Türmerstube, aber wirklich wunderschön. Und leckerste Grotemeyer-Kuchen und -Torten gibt es auch, hier lebt das Traditions-Café nämlich weiter, denn das Original auf der Salzstraße schließt leider seine Pforten (Hans im Glück mietet nun auch den oberen Teil).

Soviel zu den aktuellen Entwicklungen in Münster – und nun habe ich eine äußerst nette historische Geschichte für euch:

Der Bekanntschaft zur Journalistin Heike Hänscheid („Dunkle Geschichten aus Münster“, Wartberg Verlag) verdanke ich interessante Hinweise auf vergangene Türmerzeiten – bereits ihr Vater schrieb für die Münstersche Zeitung, und aus diesem Fundus stammt die Geschichte, die ich immer gerne erzähle und sehr beeindruckend finde:

Die Hauptpersonen:
Karl Greuling, erster neuer Türmer nach dem Zweiten Weltkrieg
Gerhard Boyer, Oberbürgermeister
Ratsherr Theodor Geringhoff, sein Stellvertreter
Dr. Bernhard Ernst, Chefreporter des NWDR
Dr. Ernst Hövel, Städtischer Archivrat

Das Jahr: 1950

Der Artikel: Glocken und Horn wieder vereinigt
Münster hat seinen Türmer von St. Lamberti wieder.
Von Willy Hänscheid, Münstersche Zeitung.

Zeitungsartikel aus der Münsterschen Zeitung von 1950 über den Türmer
Glocken und Horn wieder vereinigt – Münstersche Zeitung

„Auf dem Prinzipalmarkt staute sich am St. Nikolaustage die Menge. Man wartete zwar nicht auf St. Nikolaus persönlich, jedoch auf eine Ueberaschung, die ein dem Tage entsprechendes Geschenk bringen sollte…
Inzwischen hatte sich im Turmstübchen, hoch über der im weihnachtlichen Lichterglanz erstrahlenden Stadt, folgendes ereignet:

Neben dem Türmer, Herrn Greuling, einem alten Münsteraner, hatten sich Oberbürgermeister Boyer, sein Stellvertreter Ratsherr Geringhoff, der NWDR in Gestalt seines Chefreporters Dr. Bernhard Ernst und zahlreiche Gäste eingefunden, die die Einführung des Türmers in sein neues und doch so altes Amt erleben wollten. Städtischer Archivrat Dr. Hövel gab einleitend einen kurzen geschichtlichen Rückblick über den Turm und die Turmwache von St. Lamberti.

Dann sprach Oberbürgermeister Boyer den Türmer-Eid von 1550 in der alten Fassung dem neuen Türmer vor. Der Türmer wiederholte die Eidesformel und war damit in sein Amt eingeführt.

In eine kleinen Festansprache bezeichnete Oberbürgermeister Boyer diesen Tag als Zeichen des ungebrochenen Aufbauwillens der Stadt. Zugleich aber mit der Fortführung einer alten Tradition, sei der Türmer auch mit einer Funktion betraut, die das Feuermeldewesen der Stadt ergänze. Eine Fernsprechanlage führe vom Turm direkt zur Feuerwache. Damit sei die Wichtigkeit dieses Postens gekennzeichnet…

[Dann] begab sich der Türmer auf den Rundgang, um zum ersten Male wieder nach langer Zeit die Stunde anzublasen. Dr. Bernhard Ernst nahm diesen ‚historischen Augenblick‘ mit einem Mikrophon auf, so daß alle Münsteraner, die nicht selbst dabei waren, ihn über die Aetherwellen noch einmal erleben können.

Mit der Einführung des Türmers ist die Stadt Münster wieder um ein Wahrzeichen bereichert worden, das auch nach außen hin den wieder ganz zum Leben erweckten echten und widerstandsfähigen münsterschen Hansegeist repräsentiert.

Wünschen wir dem Amt des Türmers einen recht langen und ununterbrochenen Gang zu friedvoller Zeit.

Willy Hänscheid, Münstersche Zeitung 1950

Ich fand vor einiger Zeit schon heraus, dass der hier beschriebene Türmer Karl Greuling auf dem Waldfriedhof Lauheide begraben ist (Klick!).
Die große Bedeutung, die dem Türmeramt von allen Fans der Brauchtumspflege und der aktiven Belebung von positiv besetzten Traditionen zugemessen wird, gilt bis heute.
Ich verspreche, alles im besten Sinne weiterzupflegen und die Türmerhistorie weiter zu erforschen und beschreiben!