„… Und wer heute den Verkehr sieht, der über [diesen] Platz dahinflutet, der kann nicht anders als dem beistimmen, daß Münsters Drubbel leider als Opfer der werdenden Großstadt fallen musste.“
Zitat aus: Peter Werland, Unser alter Drubbel. In: Das schöne Münster. 13. Jahrgang, Heft Nr. 8 / August 1941
Dieser Satz entstammt dem Jahr 1941. Der Autor Peter Werland hat vorweggenommen, dass der Verkehr tatsächlich immer mehr Raum beansprucht; in unseren Tagen fahren Automobile, Busse, Leezen, E-Scooter, Kutschen mit unsichtbaren Pferden, Kutschen mit sichtbaren Pferden, Rikschas, … um die peselnden Fußgänger*innen herum, sicherlich deutlich mehr als noch 1941. Und was hat es mit dem Drubbel auf sich?
Würde der Drubbel in seinen alten Ausmaßen noch stehen, wäre die schmalste Durchgangsstelle nur etwa 4,70 Meter – von einem Drubbel-Haus (Nr. 11 an der Südwestecke) bis zum nächsten Giebelhaus mit Bogengang auf der gegenüberliegenden Seite (Prinzipalmarkt Nr. 48). Was für ein Verkehrsstau würde sich hier tagtäglich ereignen, Sapperlot!
Für diejenigen unter meinen geschätzten Leser*innen, welchen das Wort „Drubbel“ nichts oder wenig sagt, sei hier eine Erklärung eingefügt:
Drubbel bezeichnet im Westfälischen eine Ansammlung, eine Anhäufung, in diesem Falle geht es um zehn Häuser auf engstem Raume, nämlich 441 Quadratmeter. Der Standort: Direkt nördlich vor der St. Lambertikirche.
Seit wann ganz genau der Drubbel an dieser Stelle bestand, ist nicht nachweisbar, wohl aber kann man aus der Umgebung schließen, dass der Häuserhaufen älter gewesen sein muss, als die Giebelhäuser, deren ältestes um 1490 entstanden sein soll. Denn, wenn man die Bogengänge am Prinzipalmarkt betrachtet, fällt auf, dass die Bögen an einer Stelle – nämlich in Höhe des Drubbels – verschwinden, um danach (am Roggenmarkt) wiederaufzutauchen. Die Drubbel-Häuser standen also wohl schon hier auf uralten Grundstücken, als drumherum die Kaufmannshäuser samt Bogenhallen entstanden. An der Stelle des damals repräsentativsten Gebäudes des Drubbels (Nr. 7) stand vorher die bischöfliche Münzpräge – 1702 abgebrochen – wie auf Alerdinck‘s Vogelschau (1636) zu sehen ist, ein auf den Roggenmarkt zuspringendes größeres Haus.
Als dann – wie Peter Werland beschreibt – der Verkehr immer mehr zunahm, wurden die kuriosen engstehenden Häuser in gleichem Maße zum Hindernis und Gegenstand des Spottes:
„… und man konnte erzählen hören, jemand habe sich in dem schmalsten Hause nachts zur Ruhe gelegt und sei am anderen Morgen mit der peinlichen Entdeckung aufgewacht, daß er nachts die eine Hauswand durchstoßen und mit den Beinen ins Nachbarhaus geraten sei. Auch in Karnevalsliedern spielte der Drubbel eine beliebte Rolle.“
a.a.O.
Die Bezeichnung „de aolle Staoh-in‘n-Weg“ (der alte Steh-im-Weg) für den Drubbel wurde hörbar, und es wurde von einigen Seiten danach gestrebt, ihn aus dem Weg zu räumen, um Platz zu machen.
Am 8. Juni 1892 wurde durch einen Stadtverordnetenbeschluss das Haus Nr. 15 als erstes der zehn Drubbelhäuser von der Stadt Münster angekauft. Es sollten weitere neun Jahre verstreichen, bis ein weiteres Haus (Nr. 11) aufgekauft werden konnte, und noch etwas später gingen die nächsten Häuser in den Besitz der Stadt über. Dann jedoch gab es noch den widerspenstigen Besitzer der Häuser Nr. 8 und 9 – und dieser verlangte eine krass hohe Summe, die die Stadt nicht aufbringen konnte oder wollte. Daraufhin verweigerte sich der Besitzer jeder weiteren Verhandlung – und die Stadt begann drohend mit dem Abriss der bereits angekauften Häuser direkt neben ihm…
Bis zu seinem Tode blieb er standhaft wie die sprichwörtliche westfälische Linde, erst seine Witwe sprach wieder mit der Stadt über den Verkauf ihrer Häuser. Man einigte sich im September 1907.
Doch schon im Jahr 1905 – ausgerechnet in der Weihnachts-Nacht! – wurde es entsetzlich brenzlig (im wahrsten Sinne des Wortes) für die Häuser des Drubbels: Es brannte. Und der Türmer tutete aus Leibeskräften Alarm. Aber dieses Mal wurde der Drubbel noch gerettet:
Die Freiwillige und die frisch gegründete Berufsfeuerwehr rückten mit Spritzen an, ein Soldat der Dreizehner-Kaserne half derweil auf mutige und ungewöhnliche Art und Weise, die Familie des Obst- und Gemüsehändlers Lobenstein aus ihrem brennenden Haus zu retten:
Die ins Pflaster verlegte Grenzlinie, die uns heute anzeigt, wo früher der Drubbel mit den zehn Häusern gestanden hatte, ist fürwahr die wohl teuerste Grenzlinie im weiten Umkreise – durchschnittlich rund 882 Mark je Quadratmeter hat die Stadt an die Eigentümer der Häuser gezahlt!
„Am Abend des 3. Dezember [1907] wurde der Drubbelrest bengalisch beleuchtet, die Freiwillige Feuerwehr, für die ‚Großfeuer‘ geblasen war, machte eine ‚erfolgreiche‘ Übung an den beflaggtem beiden Häusern, am Tage darauf wurden sie in Anwesenheit der Stadtvertretung zum letzten Mal photographiert, und am 5. Dezember, morgens in aller Frühe, begann der Abbruch, der eta acht Tage in Anspruch nahm.
A.A.O.
Gewiß soll nicht verkannt werden, daß mit dem Drubbel ein romantisches Stück Altmünsters beseitigt worden ist, und die Stimmern, die sich, als dem Drubbel das Todesurteil gesprochen worden war, aus der Bürgerschaft in der Tagespresse […] erhoben, um seine städtebauliche Bedeutung herauszustellen und ihn dadurch doch noch zu retten, sollen durchaus nicht als wertlos abgetan werden. Denn der Drubbel war ein köstliches Stück Altmünsters, und seine Bedeutung als Abschluß des Prinzipalmarktes und zur Hebung der Größe des stolzen Baues der Lambertikirche war gewiß nicht zu unterschätzen.
Aber der moderne Verkehr forderte seine Rechte. Und wer heute den Verkehr sieht, der über seinen Platz dahinflutet, der kann nicht anders als dem zustimmen, daß Münsters Drubbel leider als Opfer der werdenden Großstadt fallen mußte.“
Peter Werland, der Autor des hier vorgestellten Textes mit Bildern aus Das schöne Münster vom August 1941, war übrigens Journalist und Heimatschriftsteller mit Schwerpunkt auf Münsters Geschichte – hier ist ein Link zu seinem Eintrag beim MünsterWiki, klick!
Als Türmerin blicke ich jeden Tag hinunter auf den Drubbel und versuche mir vorzustellen, wie meine Vorgänger damals wohl auf die engstehenden Häuser und die winzigen Durchgänge westlich und östlich geblickt haben mögen, in deren Mitte sich sogar noch ein Mini-Innenhof mit einem Baum befunden haben soll…
Die Stadt Münster verändert sich. Jeden Tag hier und dort, vor kurzem verfolgte ich noch den Abbruch von SinnLeffers (heute Primark) gegenüber der Stadtbücherei, und momentan ist anstelle des Schuhauses Marcus neben der profanierten Dominikanerkirche eine Baustelle getreten…
Es ist immer etwas zu sehen! Es bleibt spannend!
Was für ein toller, informativer und aufregender Bericht! Ich freue mich sehr darüber!
Und ich freue mich, wenn meine Leser*innen sich freuen! 🙂 Danke!