… die Stadt hüllt sich in Schweigen, die Menschen gehen nach Haus.

(aus: Türmer’s Nachtgesang, Georg Thurmair, 1938)

So ein schöner Arbeitsplatz. Die Stadt- und Marktkirche St. Lamberti. Öffentlicher Dienst. Und dann dieser Ausblick. Traumhafte Sonnenuntergänge. Über den Dächern von Münster. Mittendrin. So friedlich in der Friedensstadt. Peace, love and harmony. Jeden Abend außer dienstags verbringe ich hier meine Zeit.

Aber…

… so ist es natürlich nicht immer! Manchmal ist hier oben richtig was los! Das kann man sich gar nicht vorstellen! Echt wahr!
Deshalb schreibe ich euch mal einen Auszug dessen auf, was sich während meiner Dienstzeit auch abspielt:

Feuer-Alarm

Schon bei meiner obligatorischen allabendlichen telefonischen Anmeldung zum Dienst bei der Einsatzleitzentrale der Feuerwehr (die meine An- und Abmeldung dokumentieren und falls ich mich nicht melde und nicht erreichbar bin, ein Rettungsteam schicken würden) teilt mir der Kollege mit: Es gab just in diesem Augenblick einen Feuer-Alarm!
Ich gehe also direkt auf Beobachtungsposten, Fernkieker am Anschlag, und sehe: nix. Mein Blick gleitet weiter über Münster. Und da sehe ich: eine immense schwere Rauchentwicklung. Aber nicht etwa dort, wo Alarm gemeldet ward, sondern: von Lamberti aus gesehen schräg hinter dem Aasee. Oha, denke ich so bei mir, stürze wieder ans Telefon und informiere die Kollegen, die sofort selbst losfahren. Ich beobachte weiter die schwer hängende weiße Qualmerei über bona immobilia und flora.
Später gibt’s ein weiteres Telefonat mit der Einsatzleitung: Der als erstes erwähnte Alarm war ein Fehlalarm, man habe nichts gefunden.
Mein gemeldeter „Brand“ erwies sich dagegen als – und an dieser Stelle hüstelt der Kollege etwas – Nebelmaschine.
Soso, sage ich, was für eine Veranstaltung war das denn? – Es handelte sich um eine Übung der Freiwilligen Feuerwehr, und das Haus, das man zu Übungszwecken mit ebenjener Nebelmaschine eindieselte, sei wohl nicht ganz dicht. Der Qualm sollte einen Brandfall simulieren. Aber so krass realistisch habe man sich das offenbar nicht vorgestellt, es sei etwas aus dem sprichwörtlichen Ruder gelaufen. Qualm happens!

St. Lamberti

Der Dirigent

Ich erwische mich mittlerweile oft dabei, nach ihm Ausschau zu halten, denn an manchen Abenden steht er da: Der Dirigent.
Eine unübersehbare Gestalt unten am Lambertikirchplatz vor einem Modegeschäft. Links und rechts gefüllte Plastiktüten und Jutebeutel drapiert. Meistens um 23 Uhr hebt er einen oder beide Arme und dirigiert äußerst engagiert die Glocken. Jeder Schlag wird mit ausholenden Bewegungen regelrecht forciert zum perfekten DING! um gleich darauf den nächsten DONG! dröhnen zu lassen. Erstaunlich.
Noch erstaunlicher dann aber, dass auch das dem Geläute nachfolgende Tuten, das traditionelle Friedenssignal des Türmerhorns, hochkonzentriert, ausdrucksstark und mit Schwung dirigiert wird.
Dieser Dirigent macht seine Sache sehr gut, unwillkürlich passe ich das Tuten den charismatischen Armbewegungen an. Nach dem Signal winke ich noch zum Dank mit der Taschenlampen-App meines Smartphones, aber der Dirigent hat schon seine Tüten gepackt und schreitet neuen Aufgaben entgegen. Und auch ich schreite zur nächsten Tute-Position.

Regenbogen über Münster

Best-Of-Liste der Zurufe nach dem Tuten (work in progress)

Das Friedenssignal des Türmerhorns ist getutet. Ich blicke hinab, ob mir jemand sein Winken schenkt. Manchmal wird das Winken ersetzt durch gewisse Zurufe, die ich sammle, an denen ich mich delektiere. Mal mehr, mal weniger freilich. Die Liste wird ständig ergänzt. So kamen schon unter anderem diese interessanten Zurufe vor:

  • Rapunzel, Rapunzel! (Märchenonkel/-tante)
  • Aufhören! (Banause/Banausin)
  • Zugabe! (Verirrte:r Konzertbesucher:in)
  • Nicht springen! (Weltretter:in)
  • Ruhe da oben! (Neuzugezogene:r)
  • Kannst du auch was von Marius? (Tanzmusik-Fan)
  • Hä? Wer hupt denn da ständig? (Erstsemester)
  • Telefon! (Callcenter-Agent:in)
  • Danke, Frau Türmerin! (Nachtwächter)

Wenn auch euer Zuruf in meiner Liste auftauchen soll, kommt doch mal vorbei – täglich außer dienstags zwischen 21 Uhr und Mitternacht gibt’s das traditionelle Friedenssignal vom Turm der St. Lambertikirche getutet. Halbstündlich jeweils nach dem kirchlichen Geläut. Süden, Westen, Norden. Winken und Zurufe immer gern gesehen und gehört! Ich bin gespannt!

Eure Türmerin von Münster.