Ein weiteres hochinteressantes geschichtliches Zeugnis der besonderen Art hat mich erreicht, darin heißt es:

Die jeweilige Brandordnung wurde schon seit 1554 in den Morgenstunden „des Tages vor Thomas Apostoli“ (20. Dezember) auf der alljährlichen Versammlung der Bürgerschaft im Rathaus öffentlich durch den Stadtsecretarius verlesen. Alle Layschaftsdiener waren verpflichtet, an den Vortagen sämtliche Bürger unter Angabe der genauen Tagesstunde aufzufordern, zur Verlesung der Brandordnung zu erscheinen. Am Versammlungstage rief die Brandglocke von St. Lamberti und das Horn des Turmbläsers die Bürgerschaft zur festgesetzten Stunde auf das Rathaus.

Diese Zeilen finde ich in einer Dissertation aus dem Jahre 1941, die mir der Kollege Dietmar Cronauge von der Freiwilligen Feuerwehr (Löschzug Altstadt) freundlicherweise mitgebracht hat – danke dafür auch an dieser Stelle noch einmal!

Feuerschutz, Brandbekämpfung und Schadenvergütung
in Münster (Westf.) vom 16.-18. Jahrhundert.
Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades
der Philosophischen und Naturwissenschaftlichen Fakultät
der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster (Westf.), vorgelegt von Maria Horstkötter aus Bremen.

Im hinteren Teil ist ein kurzer Lebenslauf der Doktorandin:

Am 24. März 1915 wurde ich als Tochter des jetzigen Reichsbahn-Oberinspektors Wilhelm Horstkötter und seiner Gattin Magdalene geb. Sürig zu Bremen geboren. Ich besuchte nach Versetzung meines Vaters die Domschule und das Marienlyzeum zu Münster (Westf.) und erhielt Ostern 1934 das Zeugnis der Reife am Oberlyzeum zu Dingelstädt (Eichsf.). Von Februar bis August 1935 kam ich meiner Arbeitsdienstpflicht* nach. 

*Anmerkung:

Der Arbeitsdienst wurde vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise als „Freiwilliger Arbeitsdienst“ 1931/32 eingeführt. Mit dem Reichsarbeits-dienstgesetz vom 26. Juni 1935 wurde er (nun als „Reichsarbeitsdienst“ bezeichnet) für männliche Jugendliche zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr zur Pflicht und auf sechs Monate festgelegt. Quelle: Westfälische Nachrichten, Zeitzeugen berichten: Vor Studium ist Arbeitsdienst Pflicht, Christof Spannhoff, 25.3.2014, Klick!


Im Wintersemester 1935/1936 begann ich mit dem Studium der Geschichte, der Anglistik, der Philosophie und Geographie. Außerdem hörte ich germanistische und kunstgeschichtliche Vorlesungen. Mit Ausnahme eines Studienaufenthaltes in England studierte ich in meiner Heimatstadt Münster, deren Geschichte die vorliegende Arbeit entstammt. […]
Auch dem Direktor des Stadtarchivs Münster, Herrn Dr. Eduard Schulte, bin ich für die freundliche Bereitstellung und Erläuterung der erforderlichen Archivalien zu Dank verpflichtet.
Maria Horstkötter.


In ihrer Arbeit kommen allerlei Abkürzungen vor, einige davon:

R. P. = Ratsprotokolle

A VI = Acta (hier: Polizeiakten)

K. R. = Kämmerei-Rechnungen 

Alle diese befinden sich im Stadtarchiv Münster. Heutzutage ist vieles hübsch digitalisiert, sehr praktisch für die Arbeit am heimischen Schreibtisch. Wer sich Originale anschauen mag – hier zum Beispiel die Ratsprotokolle aus der Zeit, die Maria Horstkötter für ihre Arbeit durchgesehen hat: Klick! (Stadtarchiv Münster)


Was mich aber am meisten freut, ist die Entdeckung, dass auch der Türmer auf der Stadt- und Marktkirche St. Lamberti als Feuerwächter vorkommt, und das will ich euch natürlich nicht vorenthalten:

Rechtzeitige Alarmierung durch den Feuerwächter.

[…] Die vornehmste Stellung in dieser Hinsicht nahm der Feuerwächter ein. In der Turmstube von St. Lamberti allem menschlichen Treiben entrückt, war er doch eng mit dem Leben und Schicksal der Stadt verbunden. Sehen wir Menschen des 20. Jahrhunderts ihn nur im Zeichen der Romantik, in alter Zeit hatte er ernste und wichtige Pflichten zu erfüllen. Von seiner damaligen Bedeutung sprechen manche beredte Zeugnisse zu uns. […]

Tag und Nacht waltete ein Wächter seines Amtes. In den Quellen erscheint der Tageswächter als „Bläser“, seine Ablösung in der Nacht als „Turmhüter“. Vor Übernahme ihres Amtes leisteten beide einen Eid, dessen Formel und noch erhalten ist. [Anmerkung: A III Nr. 1, 2 – siehe auch: R. P. 1730 III. 2 – R. P. 1759 C. 5]

Der Wächter schlug bei Ausbruch eines Brandes die Brandglocke und hing außerdem bei Tage eine rote, etwa 7 Ellen lange Fahne, bei Nacht eine brennende Laterne nach der Seite des Turmes aus, von der er das Feuer wahrgenommen hatte. Nach allen vier Seiten hin hatte er jede halbe Stunde abzublasen, um damit seine Wachsamkeit kundzutun.

Zu diesem Zweck war der Feuerwächter mit einem Blashorn, zeitweise auch mit einer Trompete ausgerüstet. […] 1786 erhielt der Wächter ein Sprechhorn, um vom Turm herabzurufen, wo in der Stadt Feuer ausgebrochen war.

Die erwähnte Brandglocke, die sich noch heute auf dem Lamberti-Kirchturm befindet, wurde 1594 von Hermann von Essen, einem Glockengießer aus Unna, für 89 Rth. [Reichsthaler] 10 Sh. [Schilling] 6 Pf. [Pfennig] auf dem „Neuen Werk vor Münster“ gegossen. Sie hat einen unteren Durchmesser von 1,35 m. Schon ihre ungewöhnlich plumpe Kesselform entspricht ihrer Bestimmung als Alarmglocke. […]


Rats- und Brandglocke
Rats- und Brandglocke

Bei rechtzeitigem Alarm und besonderer Mühewaltung erhielten die Wächter vom Rat eine Belohnung, damit sie sich ihrer verantwortungsvollen Aufgabe bewußt werden sollten. [Anmerkung der Türmerin: nichts gegen eine Belohnung, nur aus Schokolade müsste sie sein!]

Andererseits jedoch mußte der Rat auch oft strafend eingreifen. In den Quellen wird häufig Klage darüber geführt, daß die Feuerhüter ihren Dienst versäumten, sogar aus der Stadt entwichen, auf dem Turm Zechgelage veranstalteten und verschiedentlich auch Brände nicht ankündigten. So wurde 1601 der Bläser, der zur Zeit eines Brandes nicht auf dem Turm gewesen war, „der Stadt verwiesen“. […]

1646, als Münster den Westfälischen Friedenskongreß beherbergte, wurden wegen vergrößerter Feuersgefahr besondere Straßennachtwächter eingestellt. Sie hatten während der ganzen Nacht in ihrem Kirchspiel straßauf, straßab Wache zu halten und „durch Ausrufen der Stundenzeiten einen jeden Bürger zur Beobachtung des Lichtes und des Feuers“ zu ermahnen, damit Schaden und Unglück vermieden werde.


In diesem Sinne, liebe Leserinnen und Leser, wenn euch mal ein historisches Zeugnis begegnet mit Münster- oder sogar Lamberti-Türmer-Bezug, dann schreibt mir bitte! Und herzliche Grüße an unsere heutigen Nachtwächter der unterschiedlichen Gästeführer-Institutionen (immer zu empfehlen, wenn ihr zu Gast in Münster seid!): 

Hört, ihr Leut, und lasst euch sagen,
unsere Glock’ hat zehn geschlagen.
Zehn Gebote setzt Gott ein,
auf dass wir gehorsam sein!

Eure Türmerin von Münster.

Türmerin mit Rats- und Brandglocke
Türmerin von Münster mit Rats- und Brandglocke auf St. Lamberti.
Foto: Andreas Völker, www.rocknklick.de